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Grüne Flecken

ANALYSE / STADTENTWICKLUNG / LEHEN

21/06/13 „Landschaft Lehen“ heißt eine Ausstellung der Initiative Architektur Salzburg, die ab 28. Juni im ehemaligen Stadtwerke-Hochhaus zu sehen ist. Das Ergebnis: Das vermeintlich so hoffnungslos „zubetonierte“ Lehen hat dorch erhebliches Grün-Potential. Dazu eine Analyse von dem Architekturhistoriker und -kritiker Norbert Mayr.

Von Norbert Mayr

086Das Erscheinungsbild von Lehen und der benachbarten Stadteile wird noch heute vom Bauboom und dem sozialen Wohnbau der Nachkriegsjahrzehnte geprägt. Bereits 1925 wies die Bauzoneneinteilung für ein vergrößertes Gemeindegebiet das Gebiet um Aigen als „feines Wohngebiet“ aus. Zu ungleich stärker durchgrünten und weniger dicht verbauten Stadteilen wie Aigen oder Parsch stand der Norden der Stadt im starken Gegensatz. Das stadtplanerische Zukunftsszenario von 1925 beinhaltete auch die bemerkenswerte Überlegung, die Salzach mit Grünzonen – in Lehen knapp 200 Meter breit, in Itzling ein schmälerer Streifen – zu begleiten. Die 1,5 km lange Grünzunge in Lehen sollte bis zur Ignaz-Harrer-Straße reichen. Geblieben sind der Lehener Park (rund 150 Meter) und im Norden Glanspitz/Itzlinger Au. Nach den Regulierungen von Salzach und Glan wurden die einst riesigen Überschwemmungs- bzw. Augebiete – trotz zahlreicher Bebauungspläne – mit wenig Weitsicht im jeweiligen Zeitgeist verbaut.

Lehens rasante Entwicklung im „Wiederaufbau“ begann mit dem Bebauungsplan von Erwin Ilz von 1950 (Entwursplan rechts oben). Seine Markthalle wurde nicht gebaut, nur die Pfarrkirche wurde an dem vom Stadtplaner angeregten Ort realisiert. Der vorgeschlagene Platz daneben musste dem spontanen Gemeinderatsbeschluß für ein Fußballstadion (1971) weichen. Die anlassbezogene Entscheidung verhinderte, dass Lehen damals eine städtebaulich ausformulierte Mitte bekam.

087Ilz´ Bebauungsplan für Lehen mit viergeschoßigen Wohnbauten wird von der Bebauung zwischen Leonhard von Keutschach-, Rudolf-Biebl-, Roseggerstraße und Strubergasse mit zentralem Grünraum widergespiegelt. Bei der 1953 begonnenen „Großsiedlung Lehen“ westlich des Lehener Parks rückten die fünfgeschoßigen Zeilen näher zusammen, die Freiraumqualitäten verringerten sich deutlich.

Das vom „ersten Wohnhochhaus Salzburgs“ (Architekt S. Karl Huber) dominierte „Lehen II“ auf dem streifenförmigen Areal zwischen Kirche und Siebenstädterstraße brach 1957 mit Ilz´ Leitbild. Die viergeschoßigen Zeilen wurden von fast doppelt so hohen, zweihüftig-kompakten Wohnblöcken abgelöst, die – differenziert angeordnet (Konzept S. Karl Huber und Medicus/Garstenauer/Freund) – von großzügigeren Freiflächen umgeben sein sollten. Die gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft „Neue Heimat“ begründete den Paradigmenwechsel mit dem „Bestreben, eine sehr beengte Bebauung zu vermeiden und eine bessere Besonnung und größere Grünanlagen zu schaffen.“ Der international dominierende städtebauliche Trend des „fließenden Raums”, bei der die Landschaft zwischen den Wohnsolitären durchfließen sollte, wurde in der Realität zum Abstandsgrün, Parkplätze versiegeln den Park, Zäune zerschnitten die durchaus großzügigen Freiräume. In den folgenden Jahren stiegen in Lehen Bewohner- und Verbauungsdichte sowie Gebäudehöhe. Der Freiraum degenerierte zum Restgrün.

088„Licht, Luft und Sonne“ – eigentlich das Leitbild der Architektur der Moderne – forderte Ende der 1970er Jahre die Initiative für mehr Lebensqualität in Lehen als „ureigenstes Recht“ der Bewohner ein. Die Protestbewegung gegen maßlose Verdichtung und Bauspekulation führte zu einer teilweisen Bürgerbeteiligung und dem 1980 eröffneten Stadtteilbüro. Der Schlußbericht „Lehen mitgestalten“ 1982 dokumentiert Verbesserungsvorschläge, einen Strukturplan für Lehen, Verkehrsberuhigungskonzepte, die Schaffung von Wohnstraßen und Fahrradwegen. Durch Rückwidmungen ausgewiesenen Baulands in Grünland entstanden in den Folgejahren kleine Parks und Spielplätze, südlich der Ignaz-Harrer-Straße zwischen Lehenerstraße und Gailenbachweg, an der Schumacherstraße und Paumannstraße. Auch einen Baugrund an der Alois-Stockinger-Straße, der äußerst dicht hätte verbaut werden sollen, kaufte die Stadt an und gestaltete die Grünfläche.

0891998 wollte die Stadtplanung unter Ressortchef Johann Padutsch mit dem „Entwicklungskorridor Ignaz-Harrer-Straße/Münchner Bundesstraße“ – anstelle der überholten Leitidee verordneter Masterpläne – „reale Visionen für Lehen und Liefering“ entwickeln. In Lehen entstanden vier Nach- bzw. Neunutzungen, die – 2007 als „Raum:Werk:Lehen, Salzburg - Strategien einer Stadterneuerung“ mit dem 5. Otto Wagner Städtebaupreis ausgezeichnet – teilweise besonders hohen freiräumlichen Anspruch erwarten ließen: Die „Neue Mitte Lehen“ und das Wohn- und Geschäftshaus @fallnhauser – beide vom Architekturbüro HALLE 1, 2009 bzw. 2006 fertiggestellt – sowie das „Stadtwerk Lehen“ mit einer komplexen Nutzungsmischung. Dessen zweite Bauetappe wird gerade realisiert.

Mit der Absiedelung des Stadions konnte – Jahrzehnte nach Ilz` Vorschlag – die „Neue Mitte Lehen“ entstehen. Die HALLE 1 konfigurierte das Ensemble um die zentrale, nun öffentliche Grünfläche des einstigen Fußballfeldes. Im Herbst 2009 ließ Wolfgang Richter zehn Heuballen in einem geometrischen Muster auf das Feld rollen. Diese Intervention „Kunstwirtschaft“ im Rahmen des Symposiums FreiRaumSzene Salzburg provozierte Interaktion und Veränderung und lockte zusätzliches Publikum an. Ohne Gefahr, in einem Horror Vacui die Grünfläche übertrieben aufzufüllen, birgt sie noch große Entwicklungspotenziale.

Die aktuelle Anregung, den in den 1980er Jahren von den Lehenern erkämpften kleinen Parks „richtige“ Namen zu geben, lehnen die zuständigen Dienststellen Vermessungsamt und Stadtarchiv ab. Namensgebungen „ohne postalische Auswirkungen“ werden nämlich, so die Behörde, „nur in besonders begründeten Fällen vorgenommen". Damit wird der „postlose“ Freiraum ausgegrenzt statt aufgewertet. Vielleicht greift mit der Ausstellung eine Diskussion Platz.

Am nächsten Donnerstag (27.6., 19 Uhr) gibt es eine Podiumsdiskussion zum Thema „Grüne Zukunft Lehen“ im Designforum (Hochhaus am Competence Park, Strubergasse 26).
Am 28.6. führen die Landschaftsplaner Peter Aicher und Sabine Pinterits durch diverse Grünräume (Treffpunkt 16 Uhr, Info-Point Stadtwerk Lehen)
Die Ausstellung „Lanschaft Lehen“ ist von 28. Juni bis 9. Juli im Hochhaus am Competence Park zu sehen.
http://www.initiativearchitektur.at/event.php?item=7880
Bilder: Ilz (1); Halle 1 (1); Nobert Mayr (1); dpk-krie (1)
Zum DrehPunktKultur-Bericht Grüne Männchen in Lehen?

 

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