Das Horst-Wessel-Lied fürs Glockenspiel
DOKUMENTATION / LANDESHYMNE
09/05/23 Viel Staub hat die IG Autorinnen und Autoren mit ihrer „Hymnen-Initiative“ ausgelöst. Gerhard Ruiss berichtet von „reflexartiger Abwehr“ und von „Hass-E-Mails“. Mit dem Salzburger Autor Ludwig Laher hat Ruiss Material zusammengetragen. Eine Dokumentation der Nähe des Landeshymnen-Komponisten Ernst Sompek zur Nazi-Ideologie und des Textautors Anton Pichler, eines durchaus militant gestimmten Heimattümlers.
Von Reinhard Kriechbaum
Wie berichtet hat die IG Autorinnen und Autoren vier Landeshymnen im Visier, vor allem aber jene von Salzburg. Deren „Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen“, heißt es in einer Presseaussendung. Warum man jetzt eine Materialsammlung über Ernst Sompek und Anton Pichler nachreicht? Es fänden sich da „brisante Informationen, die in den Archiven Salzburgs nicht sofort greifbar“ seien. Sie erhärteten den Standpunkt, „dass die Salzburger Landeshymne einer Neuausschreibung bedarf, eines gründlichen Nachdenkens über das heutige Salzburg“. Vieles ist in Büchern und Rechercheprojekten dokumentiert, aber eben nicht so publik.
Wie sehr also hat sich der Dirigent und Komponist Ernst Sompek den Nationalsozialisten an die Brust geworfen? Mit denen sympathisierte Sompek wohl schon, als er 1928 die Landeshymne schrieb. Er „hatte sich als illegaler Nationalsozialist geriert, sodass er 1935 von einer Knabenhauptschule auch pensioniert worden war“, schreibt Gert Kerschbaumer in Faszination Drittes Reich. Sompek war folgerichtig ganz vorne dabei, als im Oktober 1938 „Hunderte Salzburger Künstler in das braune Mekka“ pilgerten, wie es Kerschbaumer formuliert. „Mitwirkende an der Nationalsozialistischen Weihestunde in Braunau am Inn waren das Mozarteum-Orchester und fünfhundert Sänger“ unter seiner Leitung. Besondere Begeisterung habe der symphonische Festmarsch Ein Volk, ein Reich, ein Führer von Josef Reiter ausgelöst, schreibt Kerschbaumer.
Dieser Josef Reiter hatte 1927 eine Ostermesse komponiert, die im Rahmen der ersten nationalsozialistischen Salzburger Festspiele zur Auferstehungsmesse umformatiert wurde. Der Dirigent wieder Ernst Sompek. Aus jedem Chorwerk Reiters spreche „urdeutsches, kraftvolles, lauterstes Wesen“, schrieb Sompek über den Kollegen. Seine große Auferstehungsmesse sei „das offene Bekenntnis seines tief verankerten Glaubens“: „Es ist der Auferstehungsgedanke im Sinne der endlichen Befreiung des deutschen Volkes von dem furchtbaren Druck der Feinde und von den Fesseln jeder Zwingherrschaft. Der Glaube an den Sieg des deutschen Volkes...“ So wird Sompek im Jahresbericht des Konservatoriums Mozarteum 1938/1939 zitiert.
Eine durchaus aussagekräftige Zimelie: Ab 9. Oktober 1941 tönte vom Salzburger Glockenspiel das Horst-Wessel-Lied. Wer hatte den Tonsatz fürs Glockenspiel eingerichtet? Erraten, Ernst Sompek.
Übrigens hat Sompek sich auch beworben, als es nach dem Krieg um Vorschläge für die Bundeshymnen-Melodie ging. Das hat Wolfgang Kos schon 1997 für eine Diagonal-Folge des ORF recherchiert: „Ernst Sompek, 1935 wegen nationalsozialistischer Betätigung pensioniert, 1936 ausgewiesen, 1938 wieder Dirigent bei den Salzburger Festspielen, belegte mit seinem weihevollen Melodievorschlag den fünften Platz.“ Es wurde dann aber doch Mozart. „Ein toter, noch dazu weltberühmter Komponist war den meisten Juroren lieber als der in der NS-Zeit mit Berufsverbot belegte Sozialist Robert Fanta“, der damals Zweitplatzierte. „Bei anderen beteiligten Komponisten wie Hermann Schmeidel, Staatsoperndirektor Franz Salmhofer oder Ernst Sompek bestand hingegen die Gefahr, dass belastendes Material aus der NS Zeit auftauchen könnte, hatte diese Periode doch ihre Karriere keineswegs beeinträchtigt.“
Und der Priester-Dichter Anton Pichler, der Textautor der Salzburger Landeshymne? Der hat in einem Gedicht einen „einsamen Hügel im Heidekraut“ besungen, wo es heißt: „Zum letzten Gedenken dem Toten man gab / Seinen schimmernden Helm auf das Heldengrab. / Heideröslein winden mit treuer Hand / ein Kränzlein als schlief er im Heimatland.“ Pichler war ein Zeitgenosse von Georg Trakl, der 1914 in der Zeitschrift Der Brenner die berühmte Kriegsklage Grodek veröffentlichte. Es gab also durchaus Gegenpositionen zu Pichlers martialischer Soldateska-Verherrlichung. Solche wären einem katholischen Priester in der Zwischenkriegszeit gut angestanden. Pichler hingegen schrieb im Gedicht Der Krieger: „Mit reinen Händen trug er das Schwert. Er ist reiner Hände Segen wert.“
Durchaus eine lokale Skurrilität: „Es rief euch die Scholle, die Wiege euch war, / da tratet ihr vor bis zum Opferaltar / und schenktet für uns euer heiligstes Gut, / im Becher des Todes euer Heldenblut.“ Das steht bis heute unkommentiert auf dem 1929 zentral inmitten des Salzburger Kommunalfriedhofs errichteten Heldendenkmal, das nach dem Zweiten Weltkrieg gleich auch für dessen Opfer weiter gewidmet wurde.
Pichler-Texte hat übrigens auch Domkapellmeister Joseph Messner vertont. Über ihn heißt es im Straßennamen-Projekt der Stadt Salzburg: „Den Anschluß Österreichs an das Dritte Reich begrüßte Joseph Messner öffentlich am 6. April 1938 in einem in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung erschienenen Artikel: 'Als am 13. März d. J. unser herrlicher Führer Adolf Hitler die Ostmark mit dem Deutschen Reich vereinte und das deutsche Volk in Oesterreich von einer volksfremden Systemherrschaft befreite, da flogen zahlreiche Grüße und Glückwünsche aus dem Reich in mein Arbeitszimmer (…)'“ Dieser Joseph Messner, Schöpfer der Festspiel-Fanfare, saß später in der Entnazifizierungskommission der Salzburger Landesregierung...
Die Material-Zusammenstellung von Gerhard Ruiss und Ludwig Laher zum Download
Lust, bekommen, die Salzburger Landeshymne quasi im Originalklang zu hören? Die gibt es, veröffentlicht vom Amt der Landesregierung, auf Youtube. „Der LandesChor Hohensalzburg, der Chor der Salzburger Landesbediensteten, interpretiert die Landeshymne unter der musikalischen Leitung von Maria Rose Lind.“
Bilder: Salzburger Liedertafel (1); dpk-krie (1)
Zur Glosse Salzburger Grenadiermarsch
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