Die erste weibliche Führungskraft Salzburgs
HINTERGRUND / FRAUENSPUREN
07/03/22 Frauen von A bis Z. Salome Alt führt das Inhaltsverzeichnis an. Der Ausdruck „Gespielin“ für die Mutter von Erzbischof Wolf Dietrichs fünfzehn Kindern verbietet sich natürlich am Vortag des Weltfrauentags. Z wie Friderike von Winternitz? Auch wenn sie nicht Stefan Zweig geheiratet hätte, stünde sie am Ende der Liste, vor Alex Wedding und Erika Weinzierl.
Von Reinhard Kriechbaum
Wir reden vom Inhaltsverzeichnis der morgen Dienstag (8.3.) erscheinenden Broschüre Frauenspuren in der Stadt Salzburg. Leben – Werke – Erinnerung. Das Buch begleitet das Gedenktafelprojekt, das nicht nur erweitert wird, sondern sich auch in neuem, zeitgemäßem Design zeigt. Die bisherigen Bronzetafeln sind ja graphisch schön, aber nicht wirklich ins Auge springend. Und die Stieflette als Graphik-Symbol wird unterdessen auch als ein wenig ein wenig zu vorurteilsbehaftet „feminin“ angesehen. Jetzt also leuchtend weiße Tafeln mit gut lesbarer Schrift und den beiden roten Quadraten, wie sie den derzeitigen Gestaltungsrichtlinien der Stadt Salzburg entsprechen.
„Auch in Zukunft werden wir Augen und Ohren offen halten für weitere Frauenpersönlichkeiten“, sagt Alexandra Schmidt vom Frauenbüro der Stadt Salzburg. Sie ist die Initiatorin und Koordinatorin des Projekts. „Das Projekt wird laufend erweitert. Anregungen für bedeutende Frauen, an die erinnert werden sollte, sind ausdrücklich willkommen.“
Welche Tafeln als nächstes kommen, ist vorgezeichnet. In der neuen Broschüre sind auf 124 Seiten 26 Kurzporträts von bedeutenden Frauen aus der Geschichte der Stadt Salzburg zu lesen. Derzeit gibt es in Salzburg, vornehmlich in der Innenstadt, siebzehn Gedenktafeln. Ginge man der Chronologie nach vor, dann stünde die Heilige Erentrudis am Anfang der Liste. Sie war die erste Äbtissin des Klosters Nonnberg und – wie die Autorinnen Christa Gürtler und Sabine Veits-Falk schreiben – die „erste weibliche Führungskraft Salzburgs“. Sie war eh zeitig dran, im frühen 8. Jahrhundert.
Zeitig dran war aber auch Marie Andessner (1833-1906). Die Erkundung der Fremde galt um 1900 noch absolut als Männerdomäne. „Frl. Andessner, welche in Salzburg domizilierte, unternahm weite Reisen, und besuchte alle fünf Weltteile und zwar meistens allein und ohne jede Begleitung“, hieß es im Salzburger Volksblatt über sie.
Schon mal von Marie Mösner (1838-1884) gehört? Sie war eine Harfen-Virtuosin. Über sie hieß es in einem Nachruf, ihre Ehe sei „vollkommen glücklich“ gewesen, „wenn auch das zu frühe Grab ihrer eigentlichen Künstlerthätigkeit“. So ist's vielen anderen Frauen auch ergangen. „Ihr Frauen, um deren Rechte, um deren Freiheit, um deren Glück es sich handelt, Ihr selbst müßt die Initiative ergreifen, um Euer Leben zu einem menschenwürdigen Dasein zu gestalten.“ Das schrieb die erste Salzburger Frauenrechtlerin, Irma von Troll-Borostyáni.
Salondamen in der Provinz? Die Schwestern Adele und Hermine Esinger erwarben mit ihrer Mutter 1881 das altertümliche Haus Mönchsberg 6, das mit seinen Butzenscheiben und dem idyllischen Garten „eine pittoreske Nische für ihr kultiviertes Außenseitertum“ in Salzburg bot. Ein Künstlerinnentreff bis in die Zwischenkriegszeit hinein. Auch die Malerin Agnes Muthspiel wohnte auf dem Mönchsberg – und auch sie war eine gute Gastgeberin. Viele Künstlerinnen und Intellektuelle genossen nach dem Zweiten Weltkrieg ihre „unbefangene Form der Gastfreundschaft“, wie es ihr Nachbar auf dem Mönchsberg, der Schriftsteller Gerhard Amanshauser, formulierte.
Natürlich geht’s nicht nur um Frauen aus dem Kulturleben. Rosa Hofmann wird gelegentlich als „Salzburger Sophie Scholl“ bezeichnet. Sie war neben Anna Bertha Königsegg die bekannteste Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime in Salzburg. Ein weiter Zeitsprung zurück: Barbara Thenn (1519-1579) bewarb sich als Witwe des Münzmeisters Marx Thenn um eben dieses Amt – und sie bekam's. Die erste fürsterzbischöfliche Münzmeisterin!
Alex Wedding (mit bürgerlichem Namen Grete Weiskopf 1905-1966) hätte sich mit Thomas Bernhard wohl auf gleicher Ebene über Salzburg unterhalten. Die die Pionierin der sozialistischen Kinder- und Jugendbuchliteratur litt unsäglich unter dem Antisemitismus hier: „Die Schule, die Stadt – wie hasste ich sie, wie fühlte ich mich dort fremd. Oft träumte ich davon, weit fort zu gehen und, wenn überhaupt, als Fremder zurückzukehren.“
Christa Gürtler, Sabine Veits-Falk: Frauenspuren in der Stadt Salzburg. Leben – Werke- Erinnerung. Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg, Beiheft 4 – Zu bestellen im Frauenbüro der Stadt, Tel. 0662 8072 2046. Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Die Buchpräsentation morgen Mittwoch (8.3.) um 18 Uhr im OffTheater ist ausgebucht, aber die Veranstaltung wird online übertragen