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Prozession mit Tuba

SUPERGAU / PERFORMANCE

21/05/21 Kalt, wie es ist, wird das Eis aus dem Sarg so schnell nicht rauströpfeln. Ist das nun gut oder schlecht? Ein Salzburger Künstler-Kollektiv mit Namen gruppe19 schlüpft im Rahmen des Land-Kulturfestivals Supergau in die Rolle Kunst-Pompfunebrern. Morgen Samstag (22.5.) trägt man nachmittags in St. Gilgen die Eisheiligen zu Grabe.

Von Reinhard Kriechbaum

„Sonnenschein, luftige Wolken und zwischendurch ein Sprung in einen der vielen Seen, dunkle Wolken mit Regen und wirklich kühlen Temperaturen, dazu Wind.“ So hebt man in einer Presseaussendung zur Halbzeit von Supergau an und will damit andeuten, dass es vdieser Tage im Flachgau viel Unterschiedliches zu sehen und zu erleben gibt. Die Prozession mit Tuba, wie sie die guppe19 vor hat, ist eindeutig auf der kälteren Seite des um einen Monat verschobenen Aprilwetters anzusiedeln. Da sollen also die imaginären Eisheiligen zu Grabe getragen werden, mit deren „Brauchtum“ man sich angeblich (auch) auseinandersetzen möchte. Von Bräuchen rund um die Eisheiligen haben wir zwar noch nichts gehört, aber vielleicht tut sich im Rahmen der Performance, die bei der Badestelle Gamsjaga (St. Gilgen Schwand) ihren Ausgang nimmt, einschlägige Erkenntnis auf.

Unserem Wissen nach sind die Eisheiligen eher landwirtschaftliche Lostage, aber vielleicht sehen wir das zu eng. Jedenfalls tun Bauern wie Hobbygärtner gut daran, manche Dinge nicht vor besagten Tagen auszusäen beziehungsweise draußen einzusetzen. Es ist nicht so neu, dass sich das wechselhafte und kühle Aprilwetter in den Mai hineinzieht. Gerade heuer machten die Eisheiligen – die besagten Tage waren von 12. bis 15. Mai – ihrem Namen alle Ehre. Gut, dass sie jetzt zu Grabe getragen werden. Laut Ankündigungen wird ein Sarg mit Speiseeis gefüllt sein, womit der Aspekt Allegorie von den Performern einigermaßen sinnlich abgehakt ist. Bei dieser „Verabschiedung der Toten hinterfragen sie gesellschaftliche Systeme – inwiefern diese konstruiert sind, einer göttlichen oder einer natürlichen Ordnung folgen“, heißt es in der Projektbeschreibung.

Ach ja, natürliche Ordnung. Die ist in Sachen Eisheilige ziemlich durcheinander geraten, nämlich durch die Kalenderreform. Die Termine der Eisheiligen – das sind Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie – wurde ja schon zu einer Zeit eingeführt, da noch der Julianische Kalender gültig war. Den ließ Gaius Julius Caesar erstellen, er kannte zwar Schaltjahre, aber nicht jene „runden“ Termine, zu denen Schaltjahre ausfallen müssen, um den Kalender wieder den kosmischen Gegebenheiten anzupassen. Und so ging Caesars alter Kalender zu Beginn der Neuzeit schon gehörig falsch. Als nun Papst Gregor XIII. 1582 den nach ihm benannten „gregorianischen“ Kalender einführte, war das Sonnenjahr der alten Rechnung klar voran. Der Julianische Kalender hinkte anderthalb Wochen nach. Deshalb ließ man im Zuge der Kalenderreform auf den 4. Oktober unmittelbar den 15. Oktober folgen. Seither geht der Kalender weitgehend richtig, dafür ticken die Eisheiligen falsch. Das macht aber insofern nichts, als sich das Klima ja auch erheblich geändert hat über die Jahrhunderte. Ab dem 15. Jahrhundert gab's in Europa eine „Kleine Eiszeit“ und jetzt gibt’s unkontrollierte Erderwärmung.

Was gleich geblieben hat: Die Kälte, die irgendwann im Mai kommt wie das Amen im Gebet gegen den nachtfrost, kommt logischerweise vom Norden her und erreicht Norddeutschland früher als unseren Raum. Und drum sind die Eisheiligen nicht überall dieselben. Im Norden rechnet man den heiligen Mamertus (schon am 11. Mai) dazu und lässt die „Sopherl mit dem kalten Popo“ dafür weg.

Aber wir schweifen ab, zurück zur Perfomance. Die nicht näher bezeichnete gruppe19 sei ein „fluides Künstler*innenkollektiv bildender Künstler*innen aus mit Bezug zum Standort Salzburg“, heißt es in der Selbstbeschreibung. In einem brachliegendes Haus an der Salzach hat man 2018/19 mehrere Projekte durchgeführt, die sich freilich nicht recht herumgesprochen haben. Was man im Sinn hat: „Besonders Interesse liegt an der Erforschung von ästhetischen geformten Gruppen bzw. Sozialgefügen und der Schnittstelle zwischen Kunst und ihrer Bedeutung für Zusammengehörigkeit und Ausgrenzung.“ Wie auch immer: Morgen Regenschirm nicht vergessen und warm anziehen!

Prozession mit Tuba im Rahmen von „Supergau“, 22. Mai, 16.30 bis 19.30, Badestelle Gamsjaga – St. Gilgen Schwand – www.supergau.org
Bild: Supergau / gruppe19

 

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