Auch die Babyboomer werden älter
HINTERGRUND / WOHNEN IM ALTER
23/04/21 Minus 5,5 Prozent. Das ist nicht der Einkommensverlust in Corona-Zeiten, sondern der Geburten-Rückgang im ersten Corona-Jahr. Schlecht, aber statistisch doch kein einschneidender Wert. Die Bevölkerung wird so und so immer älter. Das sollte auch Folgen haben für die Wohnungs-Planung.
Von Reinhard Kriechbaum
Altersgerecht wohnen. Da denkt man gemeinhin an Gebrechlichkeit und damit verbundene Gefahren und Einschränkungen. Also: keine Unebenheiten am Boden, dafür Handgriffe in der Dusche, womöglich gar ein Treppen-Lift. Wohnen im Alter kann aber auch etwas ganz anderes bedeuten, und darum geht es in der Broschüre Jetzt das Leben für später planen, einem Leitfaden von Sonja Schiff , die sich als Wissenschafterin dem Altern widmet, und der Architektin Ursula Spannberger.
„Für manche ist der eigene Garten ein Hobby und Quell der Freude, von anderen wird er als Arbeit und Last empfunden. Genauso kann eine große Wohnung als bereichernd empfunden werden oder als große finanzielle Belastung, die noch dazu viel Putzaufwand erfordert“, so die beiden Autorinnen. „Ein gutes Leben im Alter kommt nicht von alleine, es muss rechtzeitig vorbereitet werden“, weiß Sonja Schiff. Ursula Spannberger ergänzt: „Wir sind zwei Frauen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen. Mit diesem Thema haben wir ein gemeinsames Herzensprojekt gefunden, das uns auch persönlich berührt und beschäftigt.“
Es geht also darum, beizeiten sein Umfeld zu begutachten und auch zu verändern. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht – nach diesem Motto lebten ältere Menschen, oft unbewusst“, ist eine Erfahrung von Sonja Schiff. Das sollte so aber nicht sein. „Heute hochbetagte Menschen haben es oft verabsäumt, den Wohnraum für das Alter rechtzeitig vorzubereiten.“ Ungewissheiten und unangenehme Dinge, mit denen man sich nicht befassen will, zögern eigentlich nötige Vorbereitungen hinaus. In den nächsten Jahren kommt eine Generation ins Alter, die sich agil und junggeblieben fühlt wie keine zuvor, die lange gesund die Jahre nach der Erwerbstätigkeit, wenn die Kinder ausgeflogen sind, genießen möchte. Es ist die Generation der Babyboomer, die schon einmal die Welt auf den Kopf gestellt hat. Aber: „Auch die Babyboomer werden älter.“
Es gilt nicht zuletzt, sich selbst klar zu werden, was man eigentlich will oder in zehn, fünfzehn Jahren wollen könnte – und das dann auch anderen klar zu machen. Anders gefragt: „Was ist mit der Zeit zwischen ca. 60 und 85?“ Dazu Ursula Spannberger: „Dank meiner Ausbildungen in den Bereichen Mediation und Organisationsentwicklung erkannte ich einen tiefen Graben voller Missverständnissen zwischen den Menschen, die Gebäude planen, und jenen, für die geplant wird. Die Auftraggeber konnten meist nur artikulieren, was ihnen gefällt oder nicht, aber nicht, welche Bedürfnisse sie an Raum hatten.“
Der Leitfaden Jetzt das Leben für später planen richtet sich an Menschen ab etwa sechzig Jahren, die proaktiv, also noch bevor eine dringende Notwendigkeit gegeben ist, die aktuelle Wohnsituation für das Alter reflektieren, Vorstellungen von einem Wohnen im Alter formulieren und bei Bedarf die aktuelle Wohnsituation verändern wollen. Die Broschüre enthält auch einen umfänglichen Serviceteil mit Kontaktadressen rund ums Wohnen im Alter.