Hedonisten ohne Musik
GASTKOMMENTAR
07/03/16 „Der Berufsstand Musikerziehung verliert einen seiner stärksten Schutzpatrone“, sagt der Salzburger Musikpädagoge Gerhard Hofbauer. Er erinnert an einen Vortrag, den der am Samstag (5.3.) verstorbene Nikolaus Harnoncourt vor Musikpädagogen hielt. Mehr Musikunterricht hat Harnoncourt ja wiederholt eingemahnt.
Von Gerhard Hofbauer
„Die letzten Generationen haben ihr Schwergewicht mehr und mehr auf das unmittelbar Verwertbare gelegt - man meint wohl, die Glückserwartung scheine nur im Materiellen zu liegen. Glück wird mit Wohlstand und Wohlstand mit Besitz gleichgesetzt. Was zwar Sinn hat, aber keinen Zweck, will man nicht erkennen. Das Musische ist also wegrationalisiert worden. Dass man sich damit reine Hedonisten heranzieht, das hat man übersehen.“
Das schrieb Nikolaus Harnoncourt vor fünf Jahren den Delegierten der österreichischen Musikpädagoginnen und Musikpädagogen des Netzwerkes Bundesarbeitsgemeinschaft Musikerziehung (BAGME) ins Stammbuch.
„Sie alle sind in Ihrer täglichen Berufsarbeit damit konfrontiert: Kinder können nicht einmal mehr singen, weil sie nie dazu angeleitet wurden. Sie wissen nicht, wie man die Töne formt, und sie kennen keine Lieder. Da fängt aber das Musik-Machen, das Musik-Verstehen an, mit drei, vier, fünf Jahren schon. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, z.B. im Mozartjahr 2006, habe in aller Eindringlichkeit eingemahnt, dass unsere Kinder ein Recht auf eine volle Bildung und nicht nur auf Ausbildung haben. Doch nach wie vor spielt – symptomatisch für unsere Bildungsziele – bei Kontrollmethoden wie der Pisa-Studie die Musik, ja die Kunst generell, praktisch keine Rolle.
Wenn zu Rechnen, Schreiben und Lesen nicht die Kunsterziehung gleichgewichtig hinzutritt, wenn das Nützlichkeitsdenken alles beherrscht, sind wir nahe daran, dass Wirklichkeit wird, was Kardinal König bereits vor vielen Jahren sagte: '… der Weg Europas hat in eine Sackgasse geführt: Vorrang der Technik vor der Ethik, Primat der Sachwelt vor den Personenwerten …'.“
Zeitlebens unterstützte Harnoncourt alle in der musikalischen Bildung Tätigen mit solch klaren Statements und Botschaften. Die Reputation des Bildungsbereichs Musik im österreichischen Bildungswesen ist noch prekärer geworden. Die aufrüttelnde Stimme Harnoncourts wird schmerzhaft fehlen.