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Irgendeine geheime Überschrift

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

05/11/15 Wenn künstlerischer Erfolg und Publikumserfolg dasselbe wären, dann müssten wir jetzt eine Jubelmeldung sondergleichen loslassen. Heute Donnerstag (5.11.) haben die Salzburger Festspiele ihr nächstjähriges Programm vorgestellt. Die Kulinarik wird mit dem großen Schöpflöffel verteilt

„Wir geben uns jedes Jahr irgendeine geheime Überschrift“, so Sven-Eric Bechtolf über die von ihm ein zweites und letztes Mal verantworteten Festspielsaison. „Träume“ ist 2016 das Stichwort. Wovon also träumt man zur Zeit in der Chefetage der Festspiele? Es ist das Weiterträumen des Vorjahreserfolgs: Die 263.000 Besucher haben (weil die Zahl der Veranstaltungen ja doch deutlich hinunter geschraubt worden war) letztlich doch 95 Prozent Auslastung gebracht. Die publikumserfolgssichere Programmierung sicherte letztlich einen Karten-Erlös, der mit 28,6 Millionen Euro ebenso auf Top-Position in der Festspielgeschichte steht. Das Publikum ist eben ein ganz braves. Eines, das sich nicht ungern von illustren Namen und angenehmen Angeboten verführen lässt. Wir Besserwisser, die wir gerne programmatisches Format einmahnen und den Finger auf den Un-Geist der Zeit gelegt wissen wollen, müssen das einfach zur Kenntnis nehmen: Die Kulinarik wird sichtlich goutiert.

Diese Träume heiler Festspiele in einer ungetrübten Sommerwelt werden also im kommenden Jahr geradezu wollüstig weiter gesponnen. Wenn Sven-Eric Bechtolf über Strauss' „Liebe der Danae“ redet, dann spricht er nicht vom durchaus problematischen Wegschauen des Komponisten im vorletzten Kriegsjahr. Er nennt es lieber Strauss' „Beharren auf abendländischen Werten“.

Wir beharren also auf diesen Werten: mit Mozarts drei Da Ponte-Opern, mit Charles Gounods „Faust“ (O-Ton Bechtolf: „eine Hit-Maschine“), und mit der „West Side Story“, die in diesem Programm ja schon geradezu für eine subversive politische Perspektive steht. Anna Netrebko, Placido Domingo, mit „Il templario“ von Otto Nicolai eine Ultra-Rarität, abgesichert durch Juan Diego Flórez und Joyce di Donato: Da kann nichts, wirklich nichts schief gehen. Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler darf, ohne Prophetin zu sein, ihrem Kartenbüro-Leiter ein gerüttelt Maß an Arbeit voraussagen. Die Festspiele - eine Art Hit-Maschine.

Auch im Schauspiel-Programm ist man mit Beckets „Endspiel“ auf der sicheren Seite, wenn Nicholas Ofczarek und Michael Maertens als Hamm und Clov auf der Bühne sind. Hans-Michael Rehberg als Prospero in Shakespeares „Sturm“ (der über die Pernerinsel fegen wird) ist ebenso hitverdächtig wie Thomas Bernhards „Der Ignorant und die Wahnsinnige“ mit Johanna Wokalek als Königin der Nacht. Bernhards 1972 hierorts uraufgeführtes Stück heute – das ist freilich fast ein wenig wie die „Liebe der Danae“ damals, 1944, als es sich nach der Generalprobe aus-gefestspielt hatte.

Man macht im Sommer 2016 LàArt pour l'art, und das auf die zweifellos verführerischste Art. Die Massen werden anbeißen, und nur notorische Spaßverderber werden anmerken, dass sie damit eine marzipanene Krot schlucken.

Die einzelnen Programmbereiche werden wir in den nächsten Tagen im Einzelnen vorstellen. Im Detail gibt es natürlich viel Verlockendes. Aber intellektuell fordernde Festspiele? Es werden sich schon subkutan injizierte Verweise auf das finden, was uns wirklich bewegen sollte. Etwa das Verhältnis zum Nahen Osten. Mit der Ouvertüre spirituelle und deren Thema „Ex oriente lux“ ist man nahe dran. Hoffentlich gibt es bis dahin noch Christen in manchen der infrage kommenden Länder. Der koptische Chor aus Ägypten, so erzählte Konzertchef Florian Wiegand, hat sich de facto wegen Europa-Völkerwanderung aufgelöst und musste jüngst neu formiert werden.

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