Die bessere Idee: Selbst mal hingehen...
IM WORTLAUT / SALZBURG BIENNALE
24/10/13 Die Fetzen fliegen wieder einmal, und vor allem der Print-Boulevard am Ort tut sich mit emsiger Meinungsbildung gegen die Salzburg Biennale hervor. - In dieser Situation haben sich Biennale-Leiterin Heike Hoffmann und der Vorstand des Festivals zu Wort gemeldet. Die Künstlerische Leiterin der Biennale richtet einen Offenen Brief direkt an den ÖVP-Klubobmann Christoph Fuchs. Die beiden Schreiben im Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Dr. Fuchs, mit Regelmäßigkeit nutzen Sie die Presse, um die Salzburg Biennale anzugreifen. Nachdem Sie vor einem Jahr das Festival als „Orchideenprogramm“ diffamiert und mit erfundenen Zahlen ein finanzielles Desaster auf Kosten des Steuerzahlers prognostiziert haben, argumentieren Sie – nachdem dieses nicht eingetreten ist - nunmehr einseitig und nicht besonders wahrheitsgemäß mit den Karteneinnahmen. Die künstlerische Qualität des Festivals ist für Sie offenbar nicht relevant, Sie werden diese auch kaum beurteilen können, denn Sie haben keine der Veranstaltungen je besucht, offenbar nicht einmal die Kritiken gelesen.
Wenn Sie also unzulässigerweise nur ökonomisch argumentieren, dann hätten Sie zumindest erwähnen müssen, dass die Salzburg Biennale mit den zur Verfügung gestellten Mitteln ausgesprochen verantwortungsbewusst und effizient umgeht, dass es keinerlei Budgetüberschreitungen gibt, dass komplexe lokale und internationale Koproduktionen Kosten sparen, dass für jedes der von mir verantworteten Festivals Drittmittel im sechsstelligen Bereich aus öffentlichen und privaten Stiftungen sowie aus dem EU-Kulturprogramm akquiriert wurden und dass damit die Refinanzierung bei über 20 % (ein Traumwert für das Genre) liegt. Sie unterschlagen auch, dass ein großer Teil der eingesetzten Mittel in Salzburg ausgegeben wird – für Saalmieten, technische Dienstleistungen, Produktion und Distribution der Drucksorten etc. Künstler und auswärtige Besucher wohnen in Salzburger Hotels, essen in Salzburger Gasthäusern und kaufen in Salzburg ein. Es ist schwer vorstellbar, dass Ihnen die harten Fakten der „Umwegrentabiliät“ nicht bekannt sind.
Man muss also fragen: Cui bono? Der Verdacht drängt sich auf, dass Sie die Salzburg Biennale zum Austragungsfeld lokalpolitischer Auseinandersetzungen und persönlicher Profilierung missbrauchen. Das ist nicht nur fahrlässig, sondern gefährlich, leistet es doch denjenigen Kräften hierzulande Vorschub, die auch den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und das Musikprotokoll Graz für verzichtbar halten.
Die Förderung von Kunst und Kultur gehört zu den vornehmsten Aufgaben der öffentlichen Hand. Dabei gilt der Grundsatz, dass gefördert wird, was für die kulturelle und geistige Entwicklung eines Gemeinwesens unverzichtbar ist, die Weiterentwicklung der Künste ermöglicht und Künstlern ein Forum bietet, sich in kreativer Form mit uns und unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen, Fragen zu stellen und Denkanstöße zu geben, wie es eben nur die Kunst kann. Künstler sind Vordenker, Seismographen gesellschaftlicher Entwicklungen und damit oft dem Publikum voraus. Kunstförderung ist keine Subvention, sondern ebenso wie Bildung eine Investition in die Zukunft. Die zeitgenössische Musik gehört zu denjenigen Genres, in die investiert werden muss, weil sie – wie andere Formen künstlerischer Arbeit auch – kein Massenpublikum erreicht. Kunst ist nicht Unterhaltung (auch wenn sie durchaus unterhaltsam sein kann) und darf nicht profitorientiert sein. Auch deshalb ist es nicht legitim, die Maßstäbe des Musikantenstadls an ein Festival neuer Musik anzulegen und dieses einseitig nach den Karteneinnahmen zu beurteilen. Fördergeber orientieren sich an der Originalität und künstlerischen Qualität eines Programms und unterstützen gerade deshalb, weil ein solches Festival gar nicht profitabel sein kann.
Die Stadt Salzburg hat mit der Entscheidung für ein Festival neuer Musik die Weichen gestellt in die musikalische Gegenwart und damit eine kulturpolitisch sinnvolle und dem Image der Stadt zuträgliche Programmfacette ermöglicht. Dass nicht nur das Land Salzburg, sondern vor allem auch der Altstadtverband die Entwicklung dieses Festivals unterstützen und kritisch begleiten, zeugt von kulturpolitischer Weitsicht über den Tag hinaus. Salzburg kann sich nicht ausruhen auf seiner großen Tradition, sondern braucht auch die Moderne. Das Salzburger Publikum jedenfalls hat die Biennale angenommen und ich lade Sie, sehr geehrter Herr Dr. Fuchs, ein, die Veranstaltungen im März 2015 zu besuchen und sich ein Bild davon zu machen, wie neue Musik begeistern kann.
Ich beende meine Arbeit in Salzburg mit dem Festival 2015 und kann für mich beanspruchen, die Salzburg Biennale als ein profiliertes und hochqualitatives Festival auf der Karte der wichtigen europäischen Festivals verortet zu haben. Ich bin sicher, dass Bürgermeister Dr. Heinz Schaden und der Altstadtverband sich nicht beirren lassen und der Salzburg Biennale den Raum geben, den sie braucht, um die wichtige Aufbauarbeit im Sinne der kulturellen Vielfalt und des langsam, aber stetig wachsenden Publikums für zeitgenössische Musik in Salzburg fortzusetzen.
Auch der Vorstand der Salzburg-Biennale verwahrt sich dagegen, dass das Festival „zum Spielball des politischen Wettbewerbs“ wird:
Die Etablierung eines Festivals für neue Musik ist eine der schwierigsten Aufgaben, die Kulturpolitik sich vornehmen kann. Aber auch eine der wichtigsten. Wie sonst kann man dem Gegenwartsschaffen ein Forum bieten und den Menschen die Gelegenheit, der Musik unserer Zeit zu begegnen?
Hans Landesmann hat die Idee der Salzburg Biennale entwickelt und Bürgermeister Heinz Schaden hat sie mutig unterstützt. Auch bürgerschaftliches Engagement hat sehr dazu beigetragen, das Festival zu ermöglichen. Dreimal ist die Biennale schon über die Salzburger Bühnen gegangen, hat Aufmerksamkeit in der Fachwelt gefunden und den Besuchern Aufführungen präsentiert, die man nur an wenigen Orten der Welt erleben kann. Manche Kritiker der Biennale sind noch bei keiner dieser Aufführungen je gesichtet worden – es gibt Grund zu der Annahme, dass es ihnen um andere als künstlerische oder kulturpolitische Ziele geht. Die Kunst darf aber nicht Spielball des politischen Wettbewerbs werden - dagegen verwahren wir uns entschieden!
Neue Musik hat es immer schwer, sich „am Markt“ zu behaupten. So wird es der Sache nicht gerecht, die Verkaufszahlen eines Festivals für Neue Musik mit Quoten zu vergleichen, die in anderen Bereichen der Hochkultur oder in der Popularmusik möglich sind. Gleichwohl streben wir an, mit dem Festivalprogramm eine wachsende Besucherzahl zu erreichen und für die Auseinandersetzung mit anspruchsvoller Gegenwartskunst zu interessieren. Für diese schwierige Aufgabe braucht es Rückenwind und Unterstützung, um die Chance auf Erfolg zu haben. Ist es allen, die politische Verantwortung tragen, bewusst, hierfür mitverantwortlich zu sein?