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Die Sündenbock-Falle

GASTKOMMENTAR

12/01/22 Es wird heftig weiterdiskutiert auf der von uns losgetretenen Diskussion um die Frage, ob Ungeimpfte von der Kultur (und anderen Lebensbereichen) ausgrenzt sein sollen – oder ob das letztlich ein Schuss ins eigene Knie ist. Unser Gastkommentar-Vorspann gestern Dienstag hat Robert Wimmer von LungauKultur nachdenklich gestimmt.

Von Robert Wimmer 

So viel unterschiedliche Wahrheiten in den Beiträgen von Leo Fellinger, Wolfgang Danzmayr und Erich Pürstl, eine notwenige und guttuende Diskussion. Und doch dringt ab und zu ein Phänomen in dieser Debatte durch, welches uns den Diskurs um Corona so ganz und gar schwer gestalten lässt: Die Sündenbock-Falle.

Schon so oft in der Vergangenheit und nun auch wieder tapsen wir in diesen Diskursen in die Sündenbock-Falle. Wir suchen einen Schuldigen, einen Sündenbock. Politiker machen es vor und wir machen es artig nach, um ablenken zu können von unserer Ohnmacht, von Angst, von Unwissenheit, um uns gegenüber anderen zu erhöhen oder um uns auf die vermeintlich einzig richtige Seite zu stellen. Oder aber um Schlagzeilen zu kreieren, Umfragewerte zu steigern oder einfach um zu zündeln und zu spalten.

Wie die erwähnten Zeitungs-Headlines laut DrehPunkt-Kultur: „Gesundheitspersonal soll möglichst incognito herumrennen, um nicht von radikalen Maßnahme-Feinden attackiert zu werden.“ Angst wird geschürt vor „radikalen Maßnahme-Feinden“ – wer immer das ist, wo immer die auftreten. Vorbei sind gar plötzlich Ideale wie Zivilcourage, Solidarität und Mut, nein, nun sind womöglich pauschal alle Ungeimpften „radikale Maßnahme-Feinde“ – und schon sitzen wir mitten drin in der Sündenbock-Falle.

„Da fällt es zugegeben schwer, Verständnis für Ungeimpfte aufzubringen“, so DrehPunktKultur. „Trotzdem Brücken bauen zu ihnen?“ No na, Brücken bringen Menschen zusammen, ermöglichen Diskurs, notwenige Kompromisse, erzeugen Verständnis. Führen zueinander und nicht gegeneinander, wie die Sündenbock-Falle.

Erich Pürstl schreibt von Differenzierung, nicht Pauschalierung, und tappt dabei selber in die Sündenbock-Falle indem er pauschaliert: „Wer die Erkenntnisse der Wissenschaftler nicht wahrnehmen will“, schreibt Pürstl „der oder die ist – so leid's mir tut – realitätsfern und trägt dazu bei, dass der unmögliche Zustand noch viel länger dauern wird.“

Das heißt, geschätzter Erich Pürstl, alle Ungeimpften tragen pauschal dazu bei? Und wenn ja, wozu tragen sie bei? Zum Lockdown, zur Verbreitung des Virus, zur Totenstatistik, zur Destabilisierung des Spitalsystems, zur Pandemie im Globalen, zur psychischen schlechten Situation unserer Kinder, zu...?

Ich finde die Diskussion hier auf DrehPunktKultur wichtig und gut, weil argumentiert wird und andere Meinungen gehört werden. Aber: Wichtig in diesem Diskurs ist eben Differenzierung anstatt Pauschalierung, Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen und Verzicht auf die Sündenbock-Falle. Diskussionen dieser Art sind nämlich gar selten zur Zeit, sie sind dringend notwendig und helfen, aus der verfahrenen Situation heraus zu finden. Dass dies auf einer Kulturplattform geschieht, nämlich auf jener von DrehPunktKultur, stimmt mich positiv!

Robert Wimmer ist künstlerischer Leiter der Lungauer Kulturvereinigung
Bild: Lungau Kultur / BezTog
Zu den Gastkommentaren Differenzierung, nicht Pauschalierung
Zum Gastkommentar Teilhabe für Geimpfte und Ungeimpfte
Zur Hintergrund-Geschichte Kultur-Brücken in die Zeit danach

 

 

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