Nestlé, Audi … und Gazprom
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
07/10/19 Sie fahren ein Diesel-Auto der Marken VW, Audi, Skoda oder SEAD? Kann leicht sein, dass Ihr Motor deutlich mehr Stickoxide rauspustet, als im Typenschein ausgewiesen sind. Aber Ihr Gewissen darf ein reines sein: Audi ist ein Hauptsponsor der Festspiele. Der Zweck heiligt die Abgase.
Daran muss man schon erinnern, wenn jetzt vor allem von grüner Seite mobil gemacht wird gegen Gazprom und OMV, mit denen die Festspiele dieser Tage fürs 100-Jahre-Jubiläum einen Projekt-Sponsorvertrag unterzeichnet haben.
Schon richtig: Die Öko-Weste hat damit einige Flecken abbekommen. Aber es sind nicht die ersten. Wie ist das mit den Nobelkarossen von Audi, die Sommer um Sommer aufgereiht in der Hofstallgasse stehen? Sollte uns, wenn wir uns da nach Festspielaufführungen durchschlängeln, nicht einfallen, dass viele, viele Motoren im gesamten VW-dominierten Firmennetzwerk nicht ganz dem entsprechen, als was sie den Fahrzeuginhabern und den Abgase prüfenden Einrichtungen angepriesen wurden?
Über lange Zeit war auch Nestlé Hauptsponsor der Festspiele. In guter Erinnerung sind die Querelen um die Einladung von Jean Ziegler als Eröffnungs-Festredner 2011. Der dezidierte Globalisierungsgegner hatte sich unter anderem mit Nestlé angelegt – und das ist gar nicht gut angekommen. Dass Ziegler damals (vom Land) ausgeladen wurde, war durchaus auch dem Einvernehmen mit dem Festspiel-Sponsor geschuldet. Nestlé macht bis heute mit Wasser tolle Geschäfte, indem es selbst in Dürre-geplagten Gegenden Verträge abschließt und das Grundwasser anzapft. Eine Headline 2017: „Nestlé pumpt 50.000 Liter pro Stunde Wasser aus Äthiopiens Boden.“
Es gäbe also schon seit Jahren ausreichend Gründe für – nicht nur grüne – Erregungen, was den Problemkreis Sponsoring und ethische Kriterien betrtifft, die nun ausgerechnet bei Gazprom aufbrechen. Selbst Siemens ist zwar nicht für enorme Flecken auf der Öko-Weste gut, aber für Fettspritzer allemal. So manche Gerätschaften in den Kraftwerken unter Staudämmen, die Lebensgrundlagen vieler Menschen unter Wasser gesetzt haben, sind Siemens-Technologie. Zumindest ins Gerede gekommen ist Siemens durch Lieferungen nach Nordkorea, den Iran und auf die Krim (nach der Annexion durch Russland).
Die Schweizer Kühne-Stiftung ist, was solche Machenschaften angeht, total unverdächtig. Ihrem Chef Klaus-Michael Kühne kann man höchstens vorwerfen, dass er über die im Kanton Schwyz beheimatete Stiftung mit neoliberaler Elegence dafür sorgt, dass er sich genug Steuern erspart, um äußerst großzügig zu sponsern (etwa den Bau der Elb-Philharmonie).
Und Rolex ist unter den derzeitigen Hauptsponsoren der Salzburger Festspiele ein ganz ohne Vorbehalte herzeigbares Unternehmen – als solches freilich ein „versponnener Sonderfall der Weltwirtschaft“ (© www.handelszeitung.ch). Keine Kinderarbeit, kein Lohndumping, kein Hurassen mit Rohstoffen, keine dokumentierten Steuer-Tricks. Weiter so!