Neues Lebewesen
STICH-WORT
14/02/22 Tiefsee-Tiere mit phosphoriszierenden Tentakeln. Käfer. Augenlose Molche aus urzeitlichen Höhlen... Alles Mögliche fällt einem ein, wenn wo ein „neues Lebewesen“ entdeckt wurde. Keine Angst! Involucropyrenium altimontanum ist eine Flechte – und sie ist die neue Sensation im Nationalpark Hohe Tauern. Dass man sie mit freiem Auge gar nicht sieht, macht gar nix!
Von Heidemarie Klabacher
Entdeckt wurde die Flechte im Gipfelbereich des Hinteren Modereck auf rund 2.900 Metern im Gemeindegebiet von Rauris. „Diese Organismen wirken auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär, sind aber wichtige Indikatoren für eine saubere Luft. Sie reagieren sehr sensibel auf Schadstoffe oder Abgase und fühlen sich nur an Orten mit bester Luft richtig wohl“, meldet das Land Salzburg. Der Nationalpark Hohe Tauern sei um eine „ökologische Attraktion reicher“.
Der Salzburger Biologe Roman Türk entdeckte im Sommer 2021 die neue Flechtenart. Quer durch alle Lebensräume des Schutzgebietes von den Talböden bis zu den Gipfeln wurden bisher 1.100 verschiedene Arten gefunden. „Das ist knapp die Hälfte aller in Österreich bis jetzt nachgewiesenen Flechten.“ Er sei von der Nationalparkverwaltung beauftragt worden, den Flechtenbestand zu untersuchen, berichtet der emeritierte Universitätsprofessor und Flechtenexperte. Auf rund 2.900 Metern Seehöhe also sei er fündig geworden. „Kommissar Zufall spielte in diesem Fall die entscheidende Rolle“, betont Türk. „Die Flechte ist für das freie Auge de facto nicht sichtbar.“ Erst Laboranalysen brachten Gewissheit, dass es sich um eine neuentdeckte Lebensform handle: „Ihre Form und Ausgestaltung war mir so nicht bekannt.“
Er hatte großes Glück, betont der Wissenschaftler, „dass der Fruchtkörper des Organismus nicht beschädigt wurde“. Das verstehen wir gut. Sonst hätte sich die Entdeckung auch vom Experten nicht bestimmen lassen. Die finale Bestätigung „erfolgte durch den Wiener Kollegen Othmar Breuss“, von diesem stamme auch der wissenschaftliche Namen Involucropyrenium altimontanum. Die Experten aus Wien und Salzburg. Othmar Breuss und Roman Türk, haben die Entdeckung in einer Fachzeitschrift publiziert. Zusammen mit anderen haben Breuss und Türk übrigens auch schon vor einiger Zeit die Flechten im Bundesland Niederösterreich erhoben.
Für Auskenner hier die Zusammenfassung aus dem der Universität Wien vorgelegten fünfseitigen Paper der beiden Wissenschaftler: „Involucropyrenium altimontanum wird von einem hoch gelegenen Fundpunkt im Nationalpark Hohe Tauern in den österreichischen Alpen neu beschrieben. Die Art siedelt auf Erde und Pflanzenresten und ist durch ein kleinschuppiges Lager, Perithecien mit einem vollständigen Involucrellum und kleine ellipsoidische Ascosporen gekennzeichnet.“ Und zur Verdeutlichung: „P e r i t h e c i e n: neben und zwischen den Schüppchen sitzend, oft zu 2–5 in kleinen Gruppen oder Reihen, auch einzeln, schwarz, halbkugelig vorgewölbt, 0,3–0,4 mm Durchmesser, am Scheitel oft eingedellt.“ Wir wollen wiederholend festhalten und zitieren nochmals: „Die österreichischen Alpen sind lichenologisch vergleichsweise gut untersucht. An der Erfassung der Flechtenbiota der Hohen Tauern wird seit über 150 Jahren intensiv gearbeitet und die Liste der aus dem Nationalpark bekannt gewordenen Arten umfasst mittlerweile über 1100 Arten.“
Zitate aus dem Aufsatz von Türk und Breuss - www.univie.ac.at
Bilder: Land Salzburg; www.univie.ac.at