asdf
 

Klingendes Bilderbuch aus alten Tagen

FESTSPIELE / LIEDERABEND MATTHIAS GOERNE

10/08/16 Romantische Emphase, lyrische Verinnerlichung, sanfte Ironie – all dies war bei Matthias Goernes Liederabend am Dienstag (9.6.) vertreten. „Die schöne Magelone“ von Tieck und Brahms, dieses fein kolorierte Klang-Bilderbuch aus alten Tagen, gewann zeitlose Kraft und begeisterte das Publikum.

Von Gottfried Franz Kasparek

Wie geht man mit einem Text um, in dem ein junger Ritter gleich zweimal von einer Schönen aufgefordert wird, sie zu entführen? Nämlich von einer abend- und einer morgenländischen? Erstere sitzt auf dem längeren Ast. Genauer gesagt sitzt Magelone vor einer Schäferhütte mitten in arkadischer Idylle, wohin Ritter Peter nach mancherlei Abenteuern rund ums Mittelmeer etwas überraschend den Weg findet. Und wenn sie nicht gestorben sind…

Ludwig Tiecks Variante einer alten Geschichte mit Wurzeln in „1001 Nacht“ ist ein Text der Anti-Aufklärung, eine Verklärung romantischer Gefühlsseligkeit. Ein Text, in dem freilich Ironie durchschimmert, ein Text auch, der sprachlich nach wie vor zu bezaubern vermag. Für die Prosa an dem Abend war Ulrich Matthes zuständig, der den mehr oder weniger freiwilligen Humor der Geschichte immer wieder schelmisch durchblitzen ließ, ohne die naive Emotionalität zu vernachlässigen. Die von Dieter Görne gekürzte Version des Tieck-Märchens ist bühnentauglich und spannt den bunten Bogen mit Geschick über eineinhalb Stunden lang.

Zwischen Sprecher und Sänger gab es reine Harmonie. Matthias Goernes edler Bariton hat an Saft und Kraft gewonnen, immerhin steht für ihn schon Wotan am Programm. Als junger Rittersmann stürmte Goerne anfangs denn auch ziemlich heldisch durch die Gegend, mitunter auf Kosten der Wortdeutlichkeit und hart an den akustischen Grenzen des ja nicht wirklich Großen Saals im Mozarteum. Doch legte sich der Furor bald, der Sänger passte sein mächtiges Organ dem Ort perfekt an und gewann gerade im Zarten, Poetischen wundersamen Ausdruck. „Ruhe, Süßliebchen im Schatten“ wirkte wie das tönende Bild eines Nazareners. Und die Verzweiflung des aufs Meer getriebenen Liebenden war ebenso stimmig konturiert wie die stille Trauer im Garten des Sultans, die gerade noch geschaffte Abwehr der Avancen der schönen Sulima und die Heimkehr ins Vertraute. Matthias Goerne vermag viele Nuancen und Akzente zu setzen – und dennoch strömt sein Singen völlig unmanieriert und oft herrlich belcantesk dahin.

Am Flügel saß Yuja Wang, Starpianistin aus China, Tastentigerin mit Feinmechanik in den Fingern, bisher nicht gerade als Liedbegleiterin aufgefallen. Die Klavierstimme des Johannes Brahms verlangt allerdings solistische Fähigkeiten, Virtuosität und häufig opernhaften Effekt. Der ganze Zyklus ist ja eine Art Ersatz-Oper des Symphonikers. Damit hatte Yuja Wang naturgemäß keine Probleme, passte sich aber auch schmiegsam der Gesangsstimme an und verblüffte mit aufs Feinste heraus gearbeiteten Nebenstimmen, zauberhaft atmosphärischem Kolorit in den leisen Liedern und überhaupt perfekter, aber nie unterkühlter, immer mitatmender Detailarbeit. Man möchte sie gerne als Begleiterin der großen Schubert-Zyklen hören! Zumal sie keine solche, sondern aktive Mitgestalterin ist.

Dass es nach diesem wahren Gesangs-Marathon und ausgiebigem Jubel für das Trio keine Zugabe gab, war klar. Die „liebliche, selige, himmlische Lust“ des letzten Verses muss einfach in Stille verklingen.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014