Karriere "con brio"
FESTSPIELE / YOUNG CONDUCTORS AWARD
08/08/16 Seine mitreißende Interpretation der „Siebten“ Beethoven wäre auf jeden Fall in Erinnerung geblieben als pulsierender Ausbruch purer Energie, genau wie die der temperamentvollen Konzertouvertüre „Con brio“ von Jörg Widmann: Der 27-jährige Aziz Shokhakimov aus Usbekistan gewann damit den prestigeträchtigen „Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award“.
Von Heidemarie Klabacher und Reinhard Kriechbaum
„Wir hatten diese Woche drei sehr gute Konzerte mit drei begabten jungen Dirigenten. Alle drei haben eine viel versprechende Zukunft vor sich. Die Jury hatte den Eindruck, dass der Preisträger – Aziz Shokhakimov – zum jetzigen Zeitpunkt seiner Entwicklung insofern den anderen voraus ist, dass er bereit für eine Karriere ist, von der wir alle Großes erwarten”, sagte der Juryvorsitzende Dennis Russell Davies bei der Bekanntgabe des Preisträgers 2016.
Der „Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award“ wurde heuer zum siebten Mal vergeben. Insgesamt gab es 86 Bewerber. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert und geht jährlich an einen jungen Dirigenten bis 35. Der Preisträger leitet jeweils im Folgejahr ein Orchesterkonzert im Rahmen der Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule. Aziz Shokhakimov wird also spätestens am 5. August 2017 bei seinem Konzert mit dem RSO Wien wieder in Salzburg zu erleben sein.
„Es ist großartig zu sehen wie die bisherigen Preisträger ihren Weg gehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch Aziz Shokhakimov die Startrampe Festspiele nutzen wird“, sagte Helga Rabl-Stadler, die Präsidentin der Salzburger Festspiele.
Tatsächlich zeugen die weiterhin steil verlaufenden Karrieren der bisherigen Preisträger Lorenzo Viotti (2015), Maxime Pascal (2014), Ben Gernon (2013), Mirga Gražinytė-Tyla (2012), Ainārs Rubikis (2011) und David Afkham (2010) von der internationalen Relevanz der Auszeichnung. Und auch der Preisgeber ist nach wie vor überzeugt von der Initiative: Peter Brabeck-Letmathe, der Verwaltungsratspräsident von Nestlé – dem mit 25 Jahren längstdienenden Sponsor der Salzburger Festspiele – betont, „wie sinnvoll es ist, jungen Dirigenten die Möglichkeit zur Präsentation ihres Könnens im Rahmen eines so renommierten Festivals, wie es die Salzburger Festspiele sind, zu geben“.
Es sind ja keine „Anfänger“, die sich um den „Young Conductors Award“ bewerben. Jeder der drei diesjährigen Finalisten - Ciarán McAuley, Alexander Prior und Aziz Shokhakimov – blickt bereits auf eine viel versprechende Karriere zurück und überzeugte bei seinem Award-Konzert am Pult der Camerata Salzburg im Großen Saal des Mozarteums mit einer souveränen technischen und reifen künstlerischen Leistung.
Der gebürtige Ire Ciarán McAuley, Jahrgang 1983, war Assistent beim BBC Scottish Symphony Orchestra und am Opernhaus Kiel sowie Stipendiat am Royal Conservatoire of Scotland und beim Tanglewood Music Festival. Derzeit leitet er das Malaysian Philharmonic Orchestra.
Beim Arward Concert am Pult der Camerata Salzburg im Großen Saal bestach seine federnde tänzerische Wiedergabe von Mendelssohns Konzertouvertüre zum „Märchen von der schönen Melusine“, das der als ein spannendes Crescendo an Intensität und Lautstärke in einem weiten Bogen entwickelt hat. Den drei ohnehin eigenwillig instrumentierten „Studies from Couperin“ von Thomas Adès verlieh er je eigenständiges Chroma.
Alexander Prior, der jüngste Preisanwärter wurde 1992 in London geboren und feierte schon früh bemerkenswerte Erfolge als Komponist und Dirigent. 2009 schloss er seine Ausbildung am staatlichen St. Petersburger Konservatorium mit 17 Jahren Auszeichnung ab. In der Spielzeit 2015/16 debütiert er als Dirigent in Mannheim, Victoria und Graz; weiters dirigiert er das WDR Sinfonieorchester und das Edmonton Symphony Orchestra, mit denen er seit seinem Debüt in der Saison 2013/14 regelmäßig konzertiert.
Alexander Prior gibt sich selbstbewusst, er profiliert sich auch als Komponist – von einem Stück wie Per Nørgårds in üppigsten Farben funkelndem, stilistisch nicht unproblematischem „DreamPlay“ lässt er sich nicht einschüchtern. Und nicht unoriginell, dass er vor Prokoffjews „Symphonie classique“ die eigentümlich instrumentierte Bühnenmusik „Pelléaset Melisande“ von Jan Sibelius setzte. Kompliment an den Englischhornisten der Camerata Salzburg, die alle drei Abende begleitete.
Der Preisträger Aziz Shokhakimov schließlich wurde 1988 in Taschkent in Usbekistan geboren und als Sechsjähriger in die Uspenskij-Musikschule für musikalisch hochbegabte Kinder aufgenommen. Mit 13 Jahren gab er am Pult des Nationalen Symphonieorchesters Usbekistan mit Beethovens Fünfter Symphonie und Liszts Erstem Klavierkonzert sein Dirigentendebüt. Aziz Shokhakimov blickt bereits auf eine umfassende Tätigkeit als Opern- und Konzertdirigent. 2014 leitete er in Bologna eine vielbeachtete Neuproduktion von „Eugen Onegin“ sowie eine Wiederaufnahme von „Carmen“ an der Deutschen Oper am Rhein, die ihn daraufhin mit Beginn der Spielzeit 2015/16 als Kapellmeister verpflichtete. Debüts in der aktuellen Spielzeit gab bzw. gibt er beim NDR Elbphilharmonie Orchester und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin.
Die Camerata Salzburg, die den drei Preisträgern all ihre Brillanz, Verve und Spiellust rückhaltslos zur Verfügung stellte, lief unter der souveränen Stabführung von Aziz Shokhakimov schon bei Jörg Widmanns „Con brio“ zu erster Hochform auf. Eine geradezu geniale Werkauswahl. Diese funkenschlagende immer wieder ironisch gebrochene Konzertovurtüre ist ganz aus dem Freuergeiste Beethovens heraus entstanden, ohne diesen auch nur einen Takt lang zu zitieren... Eine ideale Rame für die darauffolgende Symphonie Nr. 7 A-Dur, mit der Aziz Shokhakimov dann einen weiteren Raktenstart in seiner Karriere hinlegte.