Don Giovanni hat wieder eingecheckt
FESTSPIELE / DON GIOVANNI
05/08/16 Don Giovanni & Co sind zurück im Stammhotel. Hat man in der Lobby das Licht ein wenig stärker aufgedreht? Die Bar-Teufelchen ein wenig zurückgedrängt? Einige neue Solisten wurden engagiert. Die Wiener Philharmoniker spielen diesmal unter der Leitung von Alain Altinoglu. – Die Wiederaufnahme der Produktion von 2014 wurde im Haus für Mozart heftig bejubelt.
Von Heidemarie Klabacher
Ach ja! Das war der Don Giovanni im Nobelhotel! Sven-Eric Bechtolf hat Regie geführt im Bühnenbild von Rolf Glittenberg. Es hat sich szenisch – außer in eher gefühlten, denn zu dokumentierenden Nuancen, wie dem Licht und den Teufeln – nicht viel geändert. Auch die Wiener Philharmoniker spielen ihren Salzburger Mozart noch immer eher laut denn differenziert, daran ändert auch der Festspiel-Debütant Alain Altinoglu als Dirigent der Wiederaufnahme nichts.
Ildebrando d`Arcangelo gibt seinen naturburschenhaften Don Giovanni – wenn möglich – noch ein wenig derber, lauter, kindischer in seinem geradezu blinden Grapschen nach allem was sich bewegt und weiblich ist: ein berserkerhafter Antiheld, der in seiner Verblendung Mitleid erregt, mit seinem todesmutigen Trotz Respekt abnötigt. Auch stimmlich lässt Ildebrando d`Arcangelo noch eine Spur stärker als 2014 den Mordskerl heraushängen. Die Champagner-Arie, die in durchaus gemäßigtem Tempo serviert wird, verträgt das recht gut. Einer Kostbarkeit wie dem Ständchen „De vieni alla finestra“ bekäme freilich ein wenig Finesse im Stimmansatz gut, wenigstens beim Auftakt.
Luca Pisaroni als Leporello versucht noch immer vergeblich, seinen Herren irgendwie zu bändigen. Seine souveräne darstellerische und sängerische Leistung ist noch immer Herzstück der Produktion. Valentina Nafornita gibt wieder die Zerlina. Die Sopranistin – zusammen mit D’Arcangelo und Pisaroni aus dem Ensemble der Originalproduktion zurückgekehrt – ist stimmlich enorm gereift und überzeugt im Getümmel mit ruhiger Kantilene und fein timbriertem Stimmklang über alle Lagen. Ihr „Bati, bati, o bel Masetto“ und später die „Medizin“-Arie „Vedrai, carino“ sind sängerische Highlights: Beide Arien zeugten von größtem Gestaltungswillen ungeachtet der am Premierenabend (4.8.) geradezu lieblos beliebigen Wiedergabe des Orchesterparts.
Die neue Donna Anna ist Carmela Remigio. Darstellerisch farblos, stimmtechnisch souverän, wenn auch ohne bewegende Strahlkraft, hat sie gestalterisch außer Lautstärke kaum Register zu ziehen. Ihr getreuer Don Ottavio ist Paolo Fanale: ein aufrechter Soldat in jeder Hinsicht, darstellerisch ebenfalls farblos, stimmtechnisch ebenfalls souverän.
Gibt wirklich nirgendwo auf dieser Welt einen überzeugenden Don Ottavio? Einen, der als strahlender tenoraler Verfechter der wahren Liebe dem baritonalen Blender Don Giovanni mehr mehr entgegenzusetzen hat, als frauenversteherische Solidität?
Layla Claire als Donna Elvira überzeugt stimmlich und darstellerisch: Sie spielt ihre Rolle unexaltiert und dennoch mit der gehörigen dramatischen Leidenschaft – und auch ihr gelingen über die mehr kräftige, als klangrednerische Orchestergrundierung hinweg bewegende gesangliche Momente.
Iurii Samoilov ist der aktuelle Masetto (Alessio Arduini, Masetto in der Originalproduktion, wird in den Aufführungen am 7. und 9. August singen). Alain Coulombe ist ein machtvoll orgelnder, rollengerecht statuarischer Commendatore. Hat Donna Anna vor zwei Jahren auch schon derart ausufernd mit dem Marmor-Haupt des ermordeten Vaters geknutscht? Inzestuöse Anspielungen im Don Giovanni wären jedenfalls originell.