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Was früher einmal verstörte

FESTSPIELE / ENDSPIEL

31/07/16 Zwei Münchner Altmeister, der Regisseur Dieter Dorn und der Bühnenbildner Jürgen Rose, präsentieren im Landestheater eine gediegene Inszenierung von Samuel Becketts „Endspiel“.

Von Werner Thuswaldner

Beide, Dorn und Rose, haben in München, an den Kammerspielen und im Residenztheater unzählige Male bewiesen, dass sie ihr Handwerk verstehen und damit den Theaterstücken und Opern, die sie sich vornehmen, gerecht werden. Auch bei den Salzburger Festspielen war dies schon zu erleben, als sie 2003 die Uraufführung der Oper „L’Upupa“ von Hans Werner Henze verantworteten. Dorn verstieg sich nie zu eigenmächtiger Willkür, sondern bezog seine Inspiration akribisch aus den zugrundeliegenden Texten. Deshalb musste er sich gelegentlich als hoffnungslos altmodisch klassifizieren lassen.

Nun also haben sich die beiden in einer Koproduktion der Festspiele und des Wiener Burgtheaters Samuel Becketts „Endspiel“ aus dem Jahr 1957 vorgenommen. Und hier kommen zum wiederholten Mal die oben beschriebenen Tugenden zum Tragen. Abgehandelt wird nicht weniger als das Ende der Zivilisation in beklemmenden Szenen. Die übriggebliebenen Protagonisten sind menschliche Wracks in einem von der Außenwelt abgeschiedenen Raum.

Der blinde Hamm spielt sich, in einem pompösen Stuhl mit Röllchen sitzend, als die Zentralfigur auf. Von ihm sind die anderen abhängig, weil er Herr über die Essensvorräte ist. Hamm verachtet seine Eltern und ist im Übrigen ein um Erfolg ringender Dichter, ein Geschichtenerzähler, dem allerdings keiner zuhören will. Sein Diener (Ziehson?) Clov mit steifen Beinen und schwer an Rückgratverformung (Skoliose) leidend, weshalb er wie ein Skispringer vor dem Absprung unterwegs ist, wird schikaniert und droht, seinen Herrn zu verlassen. Hamms Eltern, Nell und Nagg, haben nur noch Fußstümpfe und existieren in zwei nebeneinanderstehenden Mülltonnen.

Das Bild der beiden zur Entsorgung bestimmten Kreaturen ist zu einer Ikone einer Darstellungsform geworden, die Martin Esslin seinerzeit als erster als „Theaters des Absurden“ bezeichnet hat. Die Menschen rannten in den fünfziger Jahren verstört aus den Vorstellungen des „Endspiels“ hinaus. Das tat am Samstag im Landestheater niemand, weil Becketts Stück inzwischen ein Klassiker ist. Das Publikum hat inzwischen ja auch Thomas Bernhard – gelegentlich „Alpenbeckett“ genannt –, der nicht wenige Motive von dem irischen Dramatiker abgekupfert hat, erfolgreich verdaut.

Dieter Dorn hält sich daran, dass, was auf der Bühne geschieht, (noch) nicht der Ernstfall ist, sondern dass gespielt wird. Es wird getan, als ob. Es herrscht nicht durchgehend Depression und Endzeitstimmung, vielmehr ergibt die uralte Herr-Diener-Konstellation auch Anlass für Situationskomik und nicht wenige Pointen, die von den Zuschauern dankbar mit Gelächter quittiert werden.

Für am meisten Kurzweil sorgt Michael Maertens. Als Clov rackert er sich den Abend lang ab, indem er unzählige Male, mit einem Fernrohr ausgerüstet, mühsam eine Metallleiter hochklettert. Durch die winzigen Fenster blickend gibt er seinem Herrn Bericht von draußen. Um sämtliche Utensilien zu beschaffen, muss er, nicht weniger mühsam, steifbeinig, wie er ist, durch eine Bodenluke hinab in den Keller steigen. Von dort bringt er einmal auch einen possierlichen, noch nicht ganz kompletten Stoffpudel mit. Maertens kostet alle Nuancen der Rolle aus und erinnert, speziell wenn er sich in die Müllcontainer hinunterbeugt, um mit Nell und Nagg zu kommunizieren, stark an den Diener im Film „Dinner for one“.

Nicholas Ofczarek ist der herrschsüchtige Hamm. Den Polternden, Rücksichtslosen spielt er ja gerne. Die Stimme droht sich manchmal zu überschlagen. Er ist durchaus um Differenzierung bemüht. Aus den Mülltonnen melden sich Barbara Petritsch als schicksalsergebene Nell und Joachim Bißmeier, der verzweifelt Überlebenswillen bekundet.

Das Publikum, einschließlich der deutschen Kanzlerin Merkel, zeigte sich kein bisschen irritiert und reagierte mit ausgiebiger Zustimmung.

Aufführungen (die meisten ausverkauft) bis 8. August im Landestheater – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig

 

 

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