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Triumph für die Utopie

FESTSPIELE / BEETHOVENS „NEUNTE“

26/07/16 Nikolaus Harnoncourt begann im Vergleich zu Kollegen erst spät, Beethoven im Originalklang seines Concentus Musicus nachzuforschen. Es war ihm nicht mehr vergönnt, mit der Neunten den bekrönenden Schlusspunkt zu setzen. An seiner Stelle waltete Montagabend (25.7.) „in memoriam“ Andrés Orozco-Estrada.

Von Horst Reischenböck

„Spirituell“ nicht im Sinne von „geistlich“, vielmehr „geistig“ zu nehmen: So lässt sich auch Ludwig van Beethovens Sinfonie d-Moll op. 125 in das übergeordnete Konzept einbeziehen, zumal im Finale durch die zugrunde liegenden Worte Friedrich Schillers ja „Gott“ explizit beschworen wird. Nur das „Alle Menschen werden Brüder“ hat sich auch nach zweihundert Jahren noch immer nicht verwirklicht.

Zumindest alle Hörer mochten sich aber zum Schluss, von einer im wahrsten Sinn des Wortes fulminanten Wiedergabe überwältigt, wenigstens für kurze Zeit in dem angesprochenen Sinn begeistert in einem Geist vereint fühlen.

Es erstaunte vorerst einmal das relativ reduziert erscheinende Instrumentalaufgebot, mit dem der Concentus Musicus dazu auf dem Podium im Großen Festspielhaus vom zu erwartenden Anspruch her optisch fast irgendwie verloren wirkte. Dass ein Cellisten-Quartett plus lediglich dreier Kontrabässe nichts an Schlagkraft schuldig bleibt, sollte sich im finalen Rezitativ umso wirkungsvoller beweisen. Da war das Ohr längst geschärft, spannungsgeladen auf die klanglichen Finessen dieser Interpretation eingestimmt. Etwa die rau geblasenen Naturhörner, dessen Solist Beethoven fast Unmögliches abverlangt.

Zuvor hatte sich der aus Kolumbien stammende Dirigent Andrés Oroczo-Estrada nach den ersten abstürzenden Blitzen förmlich in das aussichtslos endende Gefecht des Kopfsatzes verbissen. Mit jeder Faser wirkt er durch und durch als Energiebündel. Mit großen Gesten gibt er Antrieb für alle Beteiligten. Dabei stets kontrolliert, wie im mehr als gespenstisch dahinjagenden Molto vivace, dessen mitleidlos pulsierendem Rhythmus er vom Pauker darin sonst noch nie so zu vernehmend dynamische Schattierungen ablauschte.

Im Wechselbad der Gefühle dazu dann der überirdische Einstieg in den Gesang des Adagio, in dem die aparte Farbmischung der Holzbläser erstmals voll durchschlug. Kraftvoll beschwor dann Florian Boesch mit fundiertem Bass statt erneut Schrecken zu verbreiten „angenehmere Töne“, in die dann gleichgesinnt Tenor Steve Davislim, Elisabeth Kulmans Alt und die kurzfristig eingesprungene Sopranistin Regula Mühlemann ausgewogen einstimmten. Genauso textverständlich wie der wiederum exzellent durch Erwin Ortner einstudierte Arnold Schoenberg-Chor, langjährig Harnoncourts treuer Wegbegleiter, im gleichen Geiste, nun „überm Sternenzelt“, verbunden.

Bilder: Salzburger Festspiele / Werner Kmetitsch

 

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