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Mit Angst strafen

FESTSPIELE / JEDERMANN

24/07/16 Zunächst sollte die allerwichtigste Frage beantwortet werden. Angeblich hält sie die gesamte Bevölkerung in Atem, Taxichauffeure und Hotelportiere eingeschlossen: Wie ist die neue Buhlschaft? Die Oberösterreicherin Miriam Fussenegger ist ja noch sehr jung. Hat sie wohl das gehörige Temperament und genügend erotische Ausstrahlung – so wie ihre Vorgängerin im Amt, Brigitte Hobmeier – um den hartgesottenen Jedermann zu betören?

Von Werner Thuswaldner

Und kann sie Rad fahren? Nun, sie kann, und sie ist eine gute Wahl. Wohl entsteht der Eindruck, als laufe ihr großer Auftritt bei der Tischgesellschaft nicht ganz rund. Sie ist staksig unterwegs und absolviert ein Programm – Beine hoch, Strapse gezeigt, die gut durchlüftete Haarfülle zur Seite geworfen etc. Aber das ist viel zu hart ausgedrückt. Miriam Fussenegger agiert souverän. Wie es sich gehört, ist die Schwäche, mit der Jedermann ihr verfallen ist, ihre Stärke.

Neu ist auch David Bennent als Mammon. Er „bewohnt“ eine groteske sitzende Figur mit riesigem Maul und beachtlicher Zunge – eine der besten Erfindungen des Regisseurs und Puppenbauers Julian Crouch. Der neue Mammon ist nicht bloß originell und lustig, er ist zugleich unheimlich und zum Fürchten.

Schuldknecht Fritz Egger hat eine neue Frau bekommen: Eva Herzig beklagt aufwühlend, wie ungerecht sie es findet, dass ihr Mann in den Turm geworfen wird.

Das große Ensemble agiert ganz auf seiner Höhe. So wild bewegt das Geschehen auf der Bühne vielfach erscheint, so strikt folgt es einer durchdachten Regie. Die beiden Regisseure, Crouch und Brian Mertens, haben offensichtlich weiter an verschiedenen Einzelheiten gefeilt. Ein Beispiel: Jedermanns Guter Gesell, Sven Dolinski, zeigt von Sommer zu Sommer besser, wie viel abgefeimter Witz in der Rolle steckt. Christoph Franken, ein behäbiger, hinkender Teufel, verbreitet nicht sehr viel Schrecken, sondern verdient sogar ein wenig Mitleid. Eindrucksvoll ist die Szene, da Jedermann in Form von Miniaturhäusern sein übermäßiger Besitz vorgeführt wird. Die Schaulust kommt jedenfalls auf ihre Rechnung.

Cornelius Obonya gibt als Jedermann auch in seiner vierten Saison alles, was er an Kraftreserven zu bieten hat. Eindringlich wird einem bewusst gemacht, von welcher Sorte das von Hugo von Hofmannsthal erneuerte Stück ist. Drastisch wird dem Publikum vorgeführt, was einem droht, wenn einer den christlichen Prinzipien nicht entspricht. Ja, am Ende winkt zwar eine Art Erlösung, aber was dieser Jedermann davor durchmachen muss, ist grauenvoll. Er wird eingeschüchtert, extrem verängstigt und von bösen Visionen drangsaliert, dass er schon damit seine „Sünden“ abbüßt. Was hat er denn Böses angestellt? Er ist reich und verhält sich nicht besonders sozial, er gibt gerne an und will mit einer attraktiven Geliebten prahlen. Viel größer sind seine „Verbrechen“ nicht. Und dafür wird das ganze Arsenal christlicher Strafandrohungen aufgefahren? Erstaunlich, dass dies nach Jahrhunderten auch heute noch beim Publikum verfängt. Anlass nachzudenken, bietet der „Jedermann“ allemal.

Wie auch im Vorjahr hat es den ersten „Jedermann“ vergewittert, die Aufführung am Samstag (23.7.) fand mithin im Großen Festspielhaus statt.

Aufführungen bis 28. August. Online-Karten (Stand 24.7.) gibt es noch für die Spätabend-Aufführungen am 26.und 29.Juli sowie für den 6. August (17 Uhr) – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Forster
Zum Stich-Wort Aus ist‘s mit dem Sterben

 

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