Aus der Fülle von 81 Terminen
FESTSPIELE 2016 / DAS KONZERTPROGRAMM
10/11/15 Irgendwie schwer vorstellbar, aber ein Mal ist sogar Anton Bruckner als Dirigent vor den Wiener Philharmonikern gestanden. Das war anlässlich der Uraufführung seiner Zweiten Symphonie, 1873. Eine Woche zuvor war Brahms dirigierend am selben Pult tätig gewesen, hatte er seine Haydn-Variationen aus der Taufe gehoben.
Von Reinhard Kriechbaum
Mit Werken, die sie in ihrer langen Geschichte uraufgeführt haben, sind die Wiener Philharmoniker auch im kommenden Festspielsommer wieder in Salzburg zugegen. Mahlers „Kindertotenlieder“ (mit Matthias Goerne) sind dabei, von Bruckner die Symphonien Nummer zwei (Riccardo Muti), vier (Zubin Mehta), sechs (Mariss Jansons). Ein Defizit dieses Zyklus war schon im Vorjahr, dass aus der dreistelligen Zahl von einstigen Uraufführungen nun eigentlich nur das ohnedies schon Durchgesetzte auf die Pulte kommt. Das ist wohl eine unheilige Allianz aus mangelnder Experimentierlust (und Erfolgs-Berechnung) seitens der Dirigenten, anzumehmend geringer Neugier seitens des Publikums – und auch für die Festspiele sind letztlich gefüllte Sitzreihen besser als Wagnisse mit Unbekannterem, auch wenn's alt und womöglich sogar hübsch wäre...
Schön, dass die Uraufführungs-Reihe auch ein wenig übergreift: „Die Liebe der Danae“ von Strauss, im nächsten Jahr szenisch realisiert, ist ja auch ein Stück Orchester-Geschichte. Dass man konzertant die Oper „Il Templario“ von Otto Nicolai aufwärmt, ist einerseits Tribut an den Orchestergründer und andrerseits eine echte Horizonterweiterung. Angeblich klingt es weniger nach deutscher Spieloper, sondern mehr nach Bellini. Jedenfalls haben das die Zeitgenossen bekrittelt.
Sogar ein Kammerkonzert ist im Portfolio, denn Mitglieder der Wiener Philharmoniker haben auch Schönbergs „Verklärte Nacht“ und Bruckners Streichquintett uraufgeführt.
Orchester aus fünf europäischen Städten, eines aus den USA und drei internationale Klangkörper gestalten die übrigen Orchesterkonzerte: Das Concertgebouworkest Amsterdam und die Filarmonica della Scala präsentieren sich jeweils unter ihren neuen Chefdirigenten Daniele Gatti und Riccardo Chailly. Es gibt zwei Konzerte mit dem ORF Radio-Symphonie-Orchester Wien. Einmal steht Lorenzo Viotti am Pult, der Preisträger des Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award 2015. Das Cleveland Orchestra ist natürlich mit Franz Welser-Möst da. Ebenfalls zwei programme lässt das West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim hören. Philippe Jordan leitet das Gustav Mahler Jugendorchester. Die Berliner Philharmoniker sind diesmal nicht erst ganz am Schluss da, sondern schon vier Tage vor Festspielende. Mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Herbert Blomstedt und mit András Schiff als Solisten werden die Festspiele 2016 beschlossen.
Die Reihe „Salzburg contemporary“ widmet sich in drei Schwerpunkten vier Komponisten: Es gibt ein musikalisches Doppelporträt: Friedrich Cerha und György Kurtág feiern 2016 ihren 90. Geburtstag. Werke aus den verschiedenen Schaffensperioden dieser beiden musikalischen Weggefährten ebenso wie Kompositionen, die den beiden als Inspirationsquelle dienten, kennzeichnen diese Konzertreihe. Kurtág hat viele Komponisten und Musiker geprägt, darunter auch Thomas Adès. Neben der Uraufführung seiner neuen Oper „The Exterminating Angel“ werden auch in zwei Konzerten Werke von ihm zur Aufführung gebracht. Thomas Adès wird sowohl als Komponist, als Dirigent und als Pianist zu erleben sein. Ebenfalls in die Reihe „Salzburg contemporary“ gehören die drei Konzerte von Peter Eötvös, der als vierter Komponist in dieser Reihe im Fokus steht.
2016 feiert das Mozarteumorchester Salzburg seinen 175. Geburtstag. Es ist doch wirklich ein Jahr älter als die Wiener Philharmoniker! Endlich ist es auch wieder als Opernorchester eingeladen („Cosi fan tutte“ in der Felsenreitschule). Dirigenten der Mozart-Matineen sind Ádám Fischer, Constantinos Carydis, Ivor Bolton, Giovanni Antonini. Und Neville Marriner – der legendäre Dirigent der Academy of St. Martin-in-the-Fields ist dann sagenhafte 92 Jahre alt und steht das erste Mal am Pult des Mozarteumorchesters. Auch im Abschlusskonzert des Young Singers Project ist das Mozarteumorchester zu hören. Die Camerata Salzburg hat drei Festspieltermine, darunter die c-Moll-Messe (unter Ádám Fischer), und Konzerte unter Lionel Bringuier und Roger Norrington.
Viele „echte“ Liedprogramme finden sich in den Liederabenden (dem war nicht immer so). Von Christian Gerhaher erwartet man natürlich Schubert und wundert sich nicht über Programmpunkte wie „Totengräber-Weise“. Aufs Nachtschattige ist der Bariton ja quasi abonniert. Matthias Goerne sing „Die schöne Magelone“ von Brahms, Thomas Hampson ein Bukett von Shakespeare-Liedvertonungen und Mauro Peter Schuberts „Winterreise“. Besondere Dinge in dieser Reihe: barocke Kantaten mit dem Countertenor Bejun Mehta und Kurtags Kafka-Fragmente mit Anu Komsi (Sopran) und Isabelle Faust (Violine). Rolando Villazón schrammt natürlich hinüber ins Opernfach.
Dennis Russell Davies und Maki Namekawa, Isabelle Faust, Rudolf Buchbinder, András Schiff, Grigory Sokolov, Arcadi Volodos und Maurizio Pollini sind in Solistenkonzerten zu erleben. Und auch Kammerkonzerte sind wieder Teil des Konzertprogrammes, hier sind unter anderen das Jerusalem Quartet mit András Schiff, das Calder Quartet mit Thomas Adès, Martin Grubinger and Friends, Mitglieder der Wiener Philharmoniker, Pierre-Laurent Aimard mit Kollegen oder das Quatuor Ébène zu hören.
Zwischen 5. und 7. August ist das „Award Concert Weekend“, die Endausscheidung des zum siebenten Mal stattfindenden Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award. Fürs künstlerische Weiterkommen der Young Singers sind heuer unter anderem Christa Ludwig, Ann Murray, Thomas Hampson und Malcolm Martineau zuständig. (Wird fortgesetzt)