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Festspiel-Norma on Tour

HINTERGRUND / FESTSPIELE / TOURNEE

12/10/15 Standing Ovations gleich beim ersten Applaus, zu dem sich Cecilia Bartoli und John Osborn, der wie in Salzburg den Pollione gibt, noch ganz ergriffen vom Feuertod zeigen. Die an drei Festivals (einmal Pfingsten, zweimal Sommer) im Haus für Mozart gezeigte Erfolgsproduktion von Patrice Caurier und Moshe Leiser wirkt in Zürich noch einmal ergreifender und kompakter.

Von Oliver Schneider

Das liegt sicherlich einerseits an den räumlich günstigeren Verhältnissen. Auch in der letzten Parkettreihe oder in den Logen zur Mitte hin, sitzt man in Zürich noch so nah der zur Hälfte über den Orchestergraben gebauten Bühne, dass man mit der von Pollione verlassenen Norma mitatmen kann.

Cecilia Bartoli scheint in ihrer Wahlheimat Zürich noch viel stärker als in Salzburg für die dreistündige Aufführung in der Rolle der Résistance-Anhängerin während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg aufzugehen. Ihr menschliches Leid geht unter die Haut, als Adalgisa ihre Liebe zu einem deutschen Besatzungsangehörigen gesteht, Norma dabei an ihr eigenes Vergehen erinnert wird und dann der von beiden geliebte Pollione eintritt. Wie sich Normas glühende Liebe in dumpfen Hass verwandelt, das zeigt die Bartoli in Zürich so intensiv, dass man nicht mehr weiß, ob es Illusion oder Wirklichkeit ist. Eine Pause hätte es von der Spannungskurve her in diesem Moment nicht gebraucht.

Wie in Salzburg steht auch in Zürich wieder Giovanni Antonini am Pult von La Scintilla, dem Barockorchester des Opernhauses, dem er noch einmal feinere Schattierungen entlockt als an der Salzach. Großartig. Neben der Bartoli singt und spielt dasselbe Ensemble wie in Salzburg. Nur Michele Pertusi als Oroveso wurde ersetzt durch Péter Kálmán, der die Partie ohne Fehl und Tadel, aber nicht mit der gleichen Präsenz wie Pertusi ausfüllt. Mit großer Klangschönheit überzeugt wieder der Coro della Radiotelevisione Svizzera Italiana aus Lugano (Einstudierung: Diego Fasolis und Gianluca Capuana). In den langen Schlussjubel mischten sich ganz vereinzelte Buhs für das Regieteam, die aber untergingen.

Ein großer Erfolg für Cecilia Bartoli, alle anderen Protagonisten, Dirigent und Orchester, Chor, das Regieteam – und die Salzburger Festspiele. In Zürich wird die „Norma“ als Gastspiel-Produktion der Festspiele in Zusammenarbeit mit U-Live/Universal Music Arts & Entertainment, die unter anderem auch den Zyklus Great Voices im Wiener Konzerthaus verantwortet, verkauft.

Drei Argumente kann man für die Tournee ins Feld führen: Sie spült zuerst einmal Geld in die Kasse der Festspiele, obwohl man die Produktion sicherlich noch ein weiteres Mal in Salzburg zeigen könnte. Außerdem kann es vom künstlerischen Standpunkt aus interessant sein, zu sehen, wie eine Produktion in einem anderen Opernhaus wirkt. Schließlich kann ein Gastspiel helfen, die Marke Salzburger Festspiele auch unter dem Jahr in Erinnerung zu rufen.

Aber letzteres Argument ist zweischneidig: Wer ein gutes Gastspiel gesehen hat, kommt möglicherweise das nächste Mal nach Salzburg – vielleicht aber auch nicht. Ein Festspielbesuch könnte auch an Einzigartigkeit verlieren, wenn man Festspielaufführungen auch andernorts während der Saison sehen kann. Wenn abgespielte Produktionen verkauft werden, ist das weniger problematisch, weil die Aufführungen zumeist in komplett anderen Besetzungen und mit anderen Orchestern gezeigt werden.

Es gilt also, das Für und Wider gut gegeneinander abzuwägen. Eine Überlegung wert wäre, ob man ein solches Gastspiel nicht auch mit einem gezielten Begleitprogramm rund um die Festspiele ergänzen sollte. Denn letztlich muss doch das Ziel sein, viele Menschen zu einem Besuch des immer noch abwechslungsreichsten Sommerfestivals zu animieren.

Die nächste Reisestation der „Norma“ - aber erst 21., 23. und 25. Februar 2016 – ist Monte-Carlo mit seiner prachtvollen Miniatur-Opéra Garnier. Dort werden anstatt La Scintilla die Tessiner Barocchisti unter Diego Fasolis spielen – www.opera.mcDie drei Zürcher Folgevorstellungen am 13., 15. und 18. Oktober sind ausverkauft, es gibt höchstens kurzfristig Restkarten – www.opernhaus.ch
Bilder: Salzburger Festspiele / Hans Jörg Michel

 

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