Junge Stimmen und prickelnde Spielfreude
FESTSPIELE / YOUNG SINGERS PROJECT
28/06/15 Eine geballte Ladung Talent gab es im Abschlusskonzert des „Young Singers Project“ zu bewundern. Mozart, zweifellos Balsam erster Güte für junge Stimmen, stand im Zentrum eines durch und durch kulinarischen Arienabends, der durch Duette aufgelockert wurde und im zündenden „Figaro“-Finale mit allen Mitwirkenden mündete.
Von Gottfried Franz Kasparek
Trotz der Freude an schönen Stimmen, schönen Weisen sei die Frage erlaubt, warum bei solchen Gelegenheiten die Musikgeschichte mit Verdi und Bizet enden muss. Die Opernliteratur des 20. Jahrhunderts besteht nicht nur aus avantgardistischen Experimenten, sondern auch aus grandiosen Szenen für Singschauspieler beiderlei Geschlechts und mitunter aus echten Schlagern, nicht nur im Falle Puccinis. Die Reduktion auf Barock, Klassik und Romantik mag auch der Saalgröße geschuldet sein, denn im Großen Saal des Mozarteums hat hätte ein „Turandot“-Orchester einfach nicht Platz genug – aber durchaus eines für Wolf-Ferrari oder Britten. Und das Mozarteumorchester wäre flexibel genug, um nicht nur seine fabelhafte Mozart-Kompetenz, erfreuliche Italianità und beste Fähigkeiten zu süffigem französischem Sentiment, sondern auch seine Moderne-Erfahrungen zu beweisen. Ganz zu schweigen von einem noch jungen, aber schon gestandenen Opernkapellemeister wie Christoph Altstaedt, der sich als mitatmender Begleiter erwies.
Generell erfreute, dass junge Sängerinnen und Sänger nicht mehr ganz so stimmlich und figürlich stromlinienförmig gestylt erscheinen, wie das eine Zeit lang der Fall war. Eigenart gewinnt wieder mehr an Wert. Gleich drei Tenöre waren zu erleben, jeder für sich schon eine Persönlichkeit. Der etwas soigniert wirkende Goran Cah stammt aus Kroatien, studierte in Berlin und sang in perfektem Deutsch und mit lyrischer Attitüde den Belmonte. Der kleine bubenhafte Norweger Bror Magnus Tödenes ließ als Gounods Romeo mit seiner hellen, in der Höhe strahlenden, dennoch warm timbrierten Stimme aufhorchen und begeisterte gemeinsam mit dem höchst profunden belgischen Bariton Ivan Thirion im Duett aus Bizets „Perlenfischern“ – sensible Romantik pur war das. Der Kanadier Andrew Haji bewies, dass sich bestimmte Tenortypen fortsetzen, in seinem Fall der des unvergesslichen Pavarotti. Eine kraftvoll fokussierte, eher „weiße“ Stimme, die in den Höhen des Alfredo Germont noch ein wenig Feinschliff braucht – und ein liebenswerter Darsteller, der als ergreifend komischer Nemorino in Donizettis „Liebestrank“ seine Begabung besonders gut ausspielen konnte. Dabei bestens assistiert von der quirligen St. Pöltner Sopranistin Christina Gansch, die ja schon als Barbarina im heurigen „Figaro“ der Festspiele reüssiert hat.
Während der eine Lokalmatador, Rafael Fingerlos, leider erkrankt war, begeisterte der andere, Matthias Winckhler, Münchner mit Mozarteum-Ausbildung, mit dem, was man früher Kavaliersbariton nannte und was Mozarts Guglielmo gut ansteht. Doch auch der kanadische Baritonkollege Gordon Bintner punktete mit belcantesken Tönen und weicher Stimmführung als Figaro-Graf.
Die virtuose schottische Mezzosopranistin Catriona Morison, mit Händels Tirinto aus „Imeneo“ flott unterwegs, hat ja schon zu Pfingsten als Partnerin der Pregardiens auf sich aufmerksam gemacht. Ihre Fachkollegin Dara Savinova kommt aus Estland, hat am Mozarteum ihren Master gemacht und verfügt über eine aufregend schöne, warme Stimme, mit der sie Händel ebenso gerecht werden kann, wie Mozarts Dorabella, aus der sie gemeinsam mit Matthias Winckhler flugs eine erotisch knisternde Theaterszene machte.
Ähnliches tat die energische polnische Sopranistin Adriana Ferfecka mit Donizettis Norina, spielfreudig kokett und ohne jegliche technische Mühen des Gesangs. Bloß auf der Bühne herumstehende Gesangsakrobaten gibt es heute praktisch nicht mehr. Federica Lombardi, ein unüberhörbar italienischer, leuchtender Sopran, gab eine damenhafte Donna Anna.
Wenn für diesen Abend eine Palme zu vergeben wäre, dann gebührte sie Claire de Sévigné, wieder einmal eine große feine Stimme aus Quebec, die schon im Conductors-Award-Konzert erfolgreich war. Die junge Künstlerin schaffte es, mit der Arie der Gilda aus „Rigoletto“ nicht nur stimmlich zu überzeugen, sondern gleich ein ganzes, berührendes Menschenschicksal auf das Podium zu zaubern.
Aus dieser erlesenen Schar könnte man sofort ein tolles Opernensemble zusammenstellen. Die im Publikum anwesenden derzeitigen und zukünftigen Intendanten haben nun beste Wahl.