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So jung ist Kurt Weills „echte“ Musik

FESTSPIELE / DREIGROSCHENOPER KONZERTANT

16/08/15 Der Vergleich macht sicher: Wenn schon „Dreigroschenoper“, dann mit der Musik von Kurt Weill. Und zwar so und nicht anders gespielt wie am Samstag (15.8.) in der Felsenreitschule vom Ensemble Modern unter HK Gruber.

Von Reinhard Kriechbaum

Vielleicht ist es ja die Crux überhaupt dieser Musik: dass sich im Regelfall Theatermusiker damit abmühen und diese sich selbst damit nicht selten überfordern. Wenn die Weill-Foundation also normalerweise pingelig darüber wacht, dass möglichst nichts verändert wird an der Instrumentation, richtet sie zugleich wenig aus dagegen, dass der eigentliche Spirit der Musik verloren geht. Das ist ganz anders, wenn ein Spezialistenorchester für die Musik des 20. Jahrhunderts damit befasst ist. Und es ist nochmals anders, wenn sich HK Gruber als Dirigent einbringt, ein Ur-Musiker, der als Chansonnier und Komponist mit Wissen um die musikalische Zeitgeschichte für jenen „open mind“ steht, mit dem allein man Brecht/Weill beikommt.

Freilich, die Gassenhauer. Da muss es knallen! Aber es ist kein Stück in der „Dreigroschenoper“, das nicht unter den trivial-Melodien allerlei Winkelzüge bereit hielte: die kontrapunktischen Nebenstimmen; die witzig sich aufblähenden Parodie-Elemente; die Unterfütterung mit Harmonien, die nicht bloß provokant „schräg“ sind, sondern eben von einer Avantgarde künden, die sich damals – 1928 – so vorlaut wie mutig ihre Bahn gepflügt hat. Das also muss man so erst hörbar machen wie in dieser konzertanten Aufführung. Sie eignete mithin gut zur Neutralisation des Klebrig-Süßen, das man derzeit am selben Ort in der szenischen Aufführung des „Salzburger“ Mackie Messer um die Ohren geschmiert bekommt.

Im Nachhinein erklärt sich die Großzügigkeit der Weill-Foundation, dass sie den Festspielen eben eine gravierende Überarbeitung gestattet hat. Man tat es womöglich, um einen Vorzeigefall dokumentiert zu haben, was herauskommen kann bei wohlmeinenden Verschlimmbesserungen.

HK Gruber und das Ensemble Modern mit ihrer Jahrzehnte währenden Zusammenarbeit in Sachen Weill stehen hingegen fürs Echte. Fürs lebende Echte, nicht für einen musealen Sound, wohlgemerkt. „Die Dreigroschenoper“ haben diese auf Weill eingeschworenen Interpreten übrigens schon in den neunziger Jahren sowohl in der Frankfurter Oper als auch für CD gemacht.

Beides probiert jedenfalls, kein Vergleich. Und auch kein Vergleich, was die Protagonisten betrifft. Max Raabe als Macheath ist kein stimmlicher Draufgänger. Seinen fluffig-weichen Tenor setzt dieser in die Unterhaltungsmusik der Zwischenkriegszeit eingefuchste Sänger ein, um die charmante Scheinheiligkeit des Meckie Messer zu zeigen. Ute Gfrerer – eine Polly, die notfalls auch die Susanna im „Figaro“ singt – ist auch eine solche Grenzgängerin. Selbstbewusst geriert sie sich, sie hat vom alten Peachum wohl nicht nur das Folgen gelernt, sondern auch den Umgang mit Gesindel jeder Art. Zum Totlachen tragikomisch, wenn sie und Lucy (Winnie Böwe) einander „Selber Dreckhaufen“ zuzischen wie aggressive Schlangen. Sona MacDonald als Spelunkenjenny (die einzige Überschneidung mit der szenischen Aufführung) ist sowieso eine Klasse für sich.

Eine Besetzung in raffinierter Mischung aus Opernstimmen und Sing-Schauspielern. So entstand viel konstruktive Reibung, etwa zwischen Max Raabe und dem wirklich jeweils nur kurz „vorbeischauenden“ Tiger Brown von Hannes Hellmann. Hanna Schwarz (Frau Peachum) bringt als geeichte Altistin natürlich auch ganz anderes Stimmgewicht mit als der näselnd-selbstironisch sich gerierenden Peachum (HK Gruber). Originell, dass man für die Ganoven und ihr Hochzeitslied nicht eine Männerrunde vom Salzburger Bachchor abkommandierte, sondern die Musikerinnen und Musiker ironisch Vokallaut geben ließ.

Sven-Eric Bechtolf hat zwischen den Musiknummern also jene Verbindungstexte gesprochen, die sich einst Bertolt Brecht selbst für Schallplattenaufnahmen der „Dreigroschenoper“ zurecht legte. „Der Zirkusdirektor muss das natürlich selbst machen“, wird HK Gruber im Programmheft zitiert.

Die Moral von der Geschicht: So jung ist Kurt Weills „echte“ Musik zur Brecht-Klamotte, die in die Jahre gekommen ist.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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