Unmöglich, den Terzen zu widerstehen...
FESTSPIELE / WEST-EASTERN DIVAN ORCHESTRA 2
16/08/15 Nun ziehen sie weiter, nach Berlin, Luzern und schließlich zu den BBC Proms nach London. Am Freitagnachmittag (14. 8.) verabschiedeten sich Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra im Großen Festspielhaus. Unter Jubel, versteht sich.
Von Horst Reischenböck
Die eigentlich zu beginn angesagte „Tannhäuser“-Ouvertüre wurde gestrichen. Vielleicht, um dem West-Eastern Divan Orchestra im Anschluss daran eine größere Umbaupause zu ersparen. So also stand von Anbeginn alles für Ludwig van Beethovens „Tripelkonzert“ in C-Dur op. 56 parat. Beethoven selbst sprach Verlegern gegenüber über dieses Werk als „Konzertant für Violin, Violoncelle und piano-forte mit dem ganzen Orchester“. Eine Concertante also, als Wettstreit eines Klaviertrios mit Begleitung erdacht. Der Hauptakzent ist darin allerdings nicht, wie von der Gattungsbezeichnung her zu vermuten, dem Pianisten zugemessen.
Daniel Barenboim setzte nach dem ersten, noch zart retardierendem „Grummeln“ im Kontabassbereich die Einsätze von Anfang an auf ein bewusst akzentuiert formuliert flüssiges Allegro, um sich erst danach an den Flügel zu begeben. Zeit blieb ihm ja genug, hatte er doch erst als Dritter in den Diskurs über das Hauptthema einzusteigen, das vorerst vollmundig, satt getönt durch Kian Soltani übernommen worden war. Dem in Bregenz geboren persischen Solocellisten des West-Eastern Divan Orchestra folgte der Geiger Guy Braunstein, der sich nach vierjähriger Tätigkeit als damals jüngster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker nun einer internationalen Solokarriere widmet. Zusammen mit dem blendend aufgelegten Barenboim am Klavier 35 Minuten hochkarätige Unterhaltung in bestem Einverständnis als gleichberechtigte Konversation mit- und untereinander. Sie gipfelte nach dem kurzen introvertierten Innehalten der kantablen Largo-Episode zügig in der Stretta des Polacca-Finales und zog erste Beifallsstürme nach sich.
Verschreckt der Name Arnold Schönberg immer noch manche Konzertbesucher? Jedenfalls gähnten nach der Pause etliche leere Sitze im Parkett. Das war insofern erstaunlich, ging es doch diesmal um seine frühe Tondichtung „Pelleas und Melisande“ op. 5, in der Schönberg im Grunde genommen lediglich Wagners Klangwelten spätromantisch übersteigerte. Interessanterweise ist dieses Stück zeitgleich mit Claude Debussys gleichnamiger Oper und der Bühnenmusik zu Maurice Maeterlincks symbolbefrachteten Drama von Jean Sibelius (dessen 150. Geburtstages gedenkt man derzeit zwar bei der Internationalen Sommerakademie des Mozarteums, aber im Festspielprogramm wird er sträflich vernachlässigt). Schönbergs Tondichtung ist jedenfalls ein noch absolut tonales Meisterwerk, das deswegen auch ohne Kenntnis eines zugrunde liegenden Programms spontan wirkt. Trotz einiger Neuheiten wie etwa Quarten anstelle von Terzen. Schönberg formulierte später in seiner Harmonielehre: „Ganz vereinzelt kommen sie dort ein einziges Mal vor als Ausdruck einer Stimmung, deren Besonderheit mich wider Willen ein mir neues Ausdrucksmittel finden ließ. Wider Willen, ich weiß noch heute, daß ich gezögert habe, diesen Klang zu notieren. Die Deutlichkeit, mit der er sich mir aber aufdrängte, machte es unmöglich, ihn abzuweisen.“
Für das in Großbesetzung angetretene West-Eastern Divan Orchestra, durch Barenboims ökonomisch kapellmeisterlicher Diktion kontrolliert beflügelt, ergab sich jedenfalls nochmals perfekte Gelegenheit zu süffiger Artikulation in allen Klangregionen.