Liebesfreud und Liebesleid
FESTSPIELE / ELISABETH KULMAN
08/08/15 Elisabeth Kulman und ihr Klavierbegleiter Eduard Kutrowatz servierten im Haus für Mozart, an Stelle der verhinderten Elína Garanca, einen vielschichtigen Festspielliederabend von großer Ernsthaftigkeit und Gestaltungskraft.
Von Elisabeth Aumiller
Elisabeth Kulman ist eine Liedersängerin par excellence, das stellte sie am Freitag (7.8.) facettenreich unter Beweis. Die Zuhörer folgten konzentriert ihrem Vortrag und feierten sie am Ende mit begeisterter Zustimmung. Kulman ist unkonventionell in jeder Hinsicht. Das zeigte schon die äußere Form. Sie stand nicht vor dem Flügel, sondern im Zentrum der Bühne, während Pianist und Klavier zu ihrer Linken, also vom Zuschauerraum aus rechts, postiert waren. Die Liedauswahl war sehr textbezogen abgestimmt und Sängerin und Pianist ließen die Lieder fast nahtlos ohne Zäsuren ineinander übergehen, was einen Bogen von großer Dichte spannte.
Es ging vor allem um die Liebe in ihren vielfältigen Facetten, vom Hochgefühl sehnsüchtigen und zärtlichen Liebesempfindens in einem großen Decrescendo hin zu Schmerzen, Eifersucht und Tod.
Sieben ausgewählte Lieder von Franz Liszt formten die erste Programmgruppe, darunter ein englisches, ein französisches Lied und Liszts einzige Liedvertonung in russischer Sprache. Ungarisches Kolorit blitzte auf zum Auftakt in der Lenau-Vertonung „Die drei Zigeuner“, die das Leben verschlafen, verrauchen, vergeigen und dreimal verachten. Elisabeth Kulman ließ sie mit blühendem Stimmeinsatz zum Minidrama werden. Da war auch quasi die Schauspielerin Kulman mit von der Partie – wie sie überhaupt so manchem Lied mit dezenten Gesten, fein dosiert, szenische Anschaulichkeit verabreichte.
Der Ballade vom König von Thule und der Heine-Bitternis „Vergiftet sind meine Lieder“ näherte sich Kulman mit dramatischer Attacke. Liszts Klaviersatz ist für Pianisten Herausforderung ebenso wie Chance zum bravourösen Brillieren. Eduard Kutrowatz als Liszt-Kenner nützte die Chance, seinem Spiel Profil zu verleihen und gleichzeitig die Sängerin auf ausgeprägtem Klangteppich zu betten. Die Korrespondenz zwischen Pianist und Sängerin wirkte gut abgestimmt in partnerschaftlichem Miteinander. Aus Richard Wagners Wesendonck-Liedern folgten „Im Treibhaus“, „Schmerzen“ und „Träume“, erstes und letzteres mit Tristan-Vorgeschmack. Die originale Klavierfassung erlaubte einen innigeren Stimmeinsatz als die Orchesterversion. Kulmans subtiler Gefühlsausdruck und ihre tonmalerische Klangpalette machten „Sag, welch wunderbare Träume“ zu einem Höhepunkt.
In eine Auswahl aus Schumanns „Frauenliebe und -leben“ integrierte sie die Liszt-Gesänge „Es muss ein Wunderbares sein“ und „Ich liebe Dich“ sowie Franz Schuberts „Wiegenlied“ . Damit nahm sozusagen ihr eigener Zyklus individuelle Gestalt an. Die Nachtseite der Liebe repräsentierte die abschließende Schubert-Gruppe mit „Nachtstück“,, „Der Tod und das Mädchen“, „Der Geistertanz“ und „Der Zwerg“. Geradezu makaber ist die Ballade vom eifersüchtigen Zwerg, der der geliebten Königin den Tod gibt und sie tief ins Meer senkt, ihm jedoch „nach ihr das Herz brennt so voll Verlangen“. „Was passt als Zugabe auf den Zwerg?“, fragte Kulman ins Auditorium. Nun, sie antwortete mit der deutsch gesungenen Klage des Orpheus „Ach ich habe sie verloren“ und sie verabschiedete sich schließlich mit Schuberts „Nacht und Träume“, zaubrisch filigran gesungen.
Kulman fand mit ihrem warmen Mezzo eine Vielfalt an Schattierungen, dynamischen Abstufungen und Zwischentönen vom hauchzarten Pianissimo, das manchmal fast an die Grenze des Tonlosen ging, bis zum üppigen Vollklang der Stimme in opernhafter Dramatik. Als Liedersängerin ist Kulman ein Juwel. Freilich wird man die Opern-Darstellerin auf der Opernbühne in ihren repräsentativen Rollen nach ihrem Entschluss, für die Bühne nicht mehr zur Verfügung zu stehen, vermissen.