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„Weltmusik“ als echte Begegnung

FESTSPIELE / JORDI SAVALL / DER WEG GEN ORIENT

29/07/15 In der Salzburger Kirche St. Erhard im Nonntal gibt am rechten Seitenaltar ein nettes Bild: Franz Xaver tauft Eingeborene. Es sind ganz ohne Zweifel – Indianer. Die Welt war damals, im 17. Jahrhundert, noch recht unüberschaubar. Da konnte man geographisch schon ordentlich in die Irre gehen...

Von Reinhard Kriechbaum

Tatsächlich war der heilige Franz Xaver, ein Jesuit der ersten Stunde, in Japan unterwegs, und auf dem Weg dorthin rund um Afrika, in Mosambique und vor allem auch in Indien. Inder also hat er getauft, nicht Indianer! Ein solcher Weltreisender in Sachen Religion ist logischerweise für einen Musiker wie Jordi Savall eine Herausforderung. Savall baut gerne Programme um kulturgeschichtliche Brenn- und Kreuzungspunkte, er richtet den Blick von seiner seiner Gambe dabei auch neugierig auf exotisches Instrumentarium.

Das Programm „Francisco Javier: La Ruta de Oriente“ gibt es als anregendes Buch mit CD schon lange, seit 2007. In die diesjährige Ouverture spirituelle der Festspiele passt das wunderbar, weil eben mit Indien und Japan auch hinduistische Traditionen gestreift werden. Und von Savall, diesem begnadet unprätentiösen Erzähler anschaulicher Musikgeschichte(n), hört man solche Dinge ja ohnedies immer gerne, ganz unabhängig vom Anlassfall.

Wie, wenn man das missionarische Feld nicht den theologischen Dogmatikern, sondern den Künstlern überlassen hätte? Dann wäre vielleicht öfters mal echte Verständigung herausgekommen, wie sie hier im Marien-Hymnus „O gloriosa Domina“ vorgeführt wird. Zwischen den Strophen des Gregorianischen Chorals (leicht gestützt von der Gambe und umrankt von der Harfe) sind die „Exoten“ zur Improvisation eingeladen. Da nahmen also Ichiro Seki auf einer japanischen Längsflöte namens Shakuhachi und Hiroyuki Koinuma auf dem querflötenartigen Shinobue mit ihren fein abgestuften Tonskalen-Umspielungen den Dialog mit den alten europäischen Kirchentonarten auf.

Das eigentümlichste Instrument spielt Yukio Tanaka: die Biwa, eine Art Laute, wird mit einem Plektron angeschlagen etwa in der Dimension eines Aristo-Dreiecks; mit einer Ecke gezupft, einer Kante gerieben oder eher flächig angeschlagen. Erstaunlich variable Klänge entstehen da. Damit nicht genug: Als man den Multi-Kulti-Hymnus als Zugabe wiederholte, wurden auch die Gäste aus Indien (der wunderbar sensible Trommelspieler prabhu Edouard) und der Afghane Daud Khan Sadozal auf dem voluminösen Rubab (auch einer Laute) eingebunden in diese weltmusikalische Improvisation.

Woran liegt es, dass dieser „Weg gen Orient“ dann eben kein beliebiger Stilmix wird? Jordi Savall ist echter Grandseigneur, wenn es um die Begegnung geht. Ein Leichtes wäre es, mit Gustostückerln aus der Hochrenaissance aufzutrumpfen (auf die sich die Vokalisten der Capella Reial de Catalunya und die Instrumentalisten von Hesperion XXI natürlich jederzeit ebenso gut verstünden). Savalls Auswahl zielt nach Innen, fern jeden artistischen Ehrgeizes. Stücke wie das „Circumdederunt me“ des Cristobál de Morales sind expressiv, aber beileibe nicht virtuos, was für die gesamte Auswahl gilt. Das ruhige Grundzeitmaß (selbst in einer Pavane „La Battaglia“) stimmt plötzlich ganz wunderbar zusammen mit den fernöstlichen Melodien, in denen es – einmal ganz oberflächlich gesagt – ums Sich-Zeit-Nehmen geht, um die innere Ruhe für feine Umspielungen und Varianten.

Nichts hätte man in den zwei intensiven Musik-Stunden weniger getan, als nach der Uhr geschielt. Da hat einfach eins ins andere gegriffen, und auch das von Sven Dolinski teils in die Musik hinein Vorgelesene hat man dankbar als Verständnisbrücke und gerade eben nicht als Wissensvermittlung verstanden.

Bilder: Salzburger Festspiele / David Ignaszewski (1); Wikipedia (2)

 

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