Der Schmerzensmann und sein Wegbegleiter
FESTSPIELE / LIEDERABEND CHRISTAN GERHAHER, GEROLD HUBER
28/07/15 Der Bariton Christian Gerhaher, frisch gebackener Bayerischer Kammersänger, gestaltete zusammen mit seinem Pianisten Gerold Huber einen herausragenden Liederabend mit Gustav Mahlers Liedern aus des Knaben Wunderhorn, eingerahmt von den „Liedern eines fahrenden Gesellen“ und den „Kindertotenliedern“.
Von Elisabeth Aumiller
Schon beim ersten Einsatz des Pianisten ist man wie elektrisiert und die gespannte Aufmerksamkeit des Zuhörers setzt sich von der ersten bis zur letzten Note ungebrochen fort. Hier erlebt man nicht eine Sänger-Darstellung mit einem Mann am Klavier zur Unterstützung, sondern Christian Gerhaher und Gerold Huber sind kongeniale Partner. Sie sind perfekt aufeinander eingestimmt und ergänzen sich auf ideale Weise, wobei jeder voll seine eigene kreative Ausdruckspalette einbringt.
Gerhahers intellektueller Anspruch fokussiert den Wortgehalt und setzt ihn spannend in seiner vokalen Klangpalette um, ohne sich dabei in manieristischen Details zu verlieren. Er spannt den großen Bogen, singt ein perfektes Legato und und artikuliert gleichzeitig mit hoher Prägnanz. Wort und Ton in perfekter Symbiose: Gerhaher kann mit seiner Stimme alles machen, was er will, so scheint es, und seine exzellente Technik ist „nur“ die Basis, um der musikalischen Aussage gerecht zu werden. Das wirkt alles natürlich, beinahe wie selbstverständlich.
Gerold Huber ist der kreativ fantasievolle Klangmodulierer mit so vielen Anschlagsvarianten, dass man meint, sein Klavier müsse doppelt so viele Tasten haben. Er bringt den Flügel zum Singen, ob in zarten Lyrismen, brillantem Klangsinn oder im Auftrumpfen aufbegehrenden instrumentalen Klangvolumens. Sein von der Empfindung getragenes Spiel und die Bandbreite an Farbenreichtum lässt die Orchesterfassung der beiden Zyklen nicht vermissen, vielmehr verdichtet die Duo-Version die Intimität der Aussagekraft des Komponisten.
Gerhaher ist als Liedersänger der Schmerzensmann. Ihn zieht es zu den dunklen Farben, zu der von Leid und Ängsten gebeutelten Psyche, und auch zu verinnerlichten Traumwelten. So hat er für Mahlers fahrenden Gesellen und dessen Trauer „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“ die rechten Antennen. Das wird schon in den ersten langsamen Takten eindringlich vermittelt. Mit kraftvollem Aufbegehren formt der vokale Impetus „Ich hab' ein glühend Messer in meiner Brust“ , während „Lieb' und Leid, und Welt, und Traum“ in den „zwei blauen Augen von meinem Schatz“ zur verträumten unstillbaren Sehnsucht wird.
Bei den Wunderhorn-Liedern wie etwa „Rheinlegendchen“, „Ich ging mit Lust durch einen grünen Wald“, „Wer hat das Liedlein erdacht“ oder „Ablösung im Sommer“ kann der Bariton hellere Gemütsfarben einmischen. Die „Gedanken sind frei“, werden zu einem inbrünstigen Appell, während das „Irdische Leben“ bereits wieder zu den tragischen Facetten überleitet, die dort „Wo die schönen Trompeten blasen“ und in den sich anschließenden Kindertotenliedern in feinsinniger Tongebung einer sublimen Traurigkeit Form geben.
Das Publikum folgte am Montag (27.7.) im Haus fürMozart mit konzentrierter Hingabe den tiefschürfend dargebotenen Liederwelten Gustav Mahlers, bis sich am Ende der sich steigernde Applauspegel Bahn brach. Aber Gerhaher entließ seine Gemeinde nicht mit der Düsternis des Todes, sondern schickte mit der Zugabe „Urlicht“ verklärenden Hoffnungsschimmer in den Raum.