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Wie einst das Mädchen Momo

FESTSPIELE / ERÖFFNUNG

26/07/15 Nach einer Woche „Ouverture spirituelle“ wurden die 95. Salzburger Festspiele heute Sonntag (26.7.) offiziell eröffnet. Bundespräsident, Landeshauptmann und Bundesmister sprachen über Toleranz, das Fremde und sozialen Frieden. Das Mozarteumorchester spielte Kurt Weill. Die Festrede hielt der Schriftsteller Rüdiger Safranski zum Thema „Zeit und Macht“.

„Es ist eine politische Machtfrage, zu entscheiden, welchen Preis an Umweltschäden und Lebensbelastungen wir zu zahlen bereit sind, nur um eine schnellere Fortbewegungsart zu ermöglichen. Es ist eine politische Machtfrage, Lebenszyklen und Arbeitsprozesse zu synchronisieren. Und es ist eine politische Machtfrage, wie viel Zeit wir den Kindern geben und lassen wollen und den Alten und dem Altern.“

Eine „Revolution des gesellschaftlichen Zeitregimes“ sei erforderlich, so Rüdiger Safranski, der in seiner Festsrede zahlreiche Bezüge zum „Rosenkavalier“ herstellte. „Die Zeit ist ein sonderbar Ding“ singt dort die Marschallin. Zur Vergänglichkeit und zum Altern gehöre „auch das Bewusstsein der Sterblichkeit, der eigenen Befristung“. Neben Bewusstseinsbildung forderte Safranski „eine neue Zeitpolitik, eine Revolution des gesellschaftlichen Zeitregimes“. Man müsse „andere Arten der Vergesellschaftung und Bewirtschaftung der Zeit entwickeln und durchsetzen“. So werde die Zeit „notwendig zu einem politischen Thema und gerät in den Bereich der politischen Entscheidungen“.

Es sei eine politische Machtfrage, die Geschwindigkeiten der Ökonomie und der demokratischen Entscheidungen aufeinander abzustimmen, „was darauf hinauslaufen würde, die Ökonomie unter das Zeitmaß demokratischer Entscheidungen zu bringen“. Ebenso sei es eine politische Machtfrage, ob es der Finanzwirtschaft weiterhin erlaubt bleiben solle, „mit der Zukunft so gemeingefährlich zu spekulieren, wie sie das bisher getan hat und noch tut“. Hierbei seien wir zwar nicht Herren der Zeit, „aber an der Art und Weise der Vergesellschaftung der Zeit können wir sehr wohl etwas ändern“, so Rüdiger Safranski.

Auch Bundespräsident Heinz Fischer ging auf die aktuelle Situation der Asylsuchenden ein: „Grundrechte, Menschenwürde und Rechtsstaat stehen auch heute weltweit auf dem Prüfstand.“ Worauf gerade Österreich jahrzehntelang stolz sein konnte, sei heute nicht mehr ganz so selbstverständlich. „Ich meine, dass es richtig und notwendig ist, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen, die Rangordnung unserer Werte nötigenfalls zurechtzurücken und dabei Mut zu zeigen. Wir können nicht Unmögliches leisten, aber wir müssen Menschen, die brutal aus ihrer Lebensbahn geworfen, zur Flucht gezwungen und an den Rand gedrängt werden, in die Augen schauen und uns selber in den Spiegel schauen können.“

Die Einstellung, „da kann man nichts machen“, bringe uns nicht weiter, unterstrich der Bundespräsident, im Gegenteil: „Sie lähmt uns und wirft uns zurück.“ Wichtig sei eine Einstellung, die mit Realismus auf Probleme zugehe. „Wenn es heute etwas gibt, das wir besonders nötig haben, dann ist es die Form des Pluralismus, der Offenheit und der Zuversicht und der Wille, den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft mit Entschlossenheit zu begegnen.

Landeshauptmann Wilfried Haslauer stellte anhand der drei Festspiel-Opern Iphigénie en Tauride, Norma und Die Eroberung von Mexico aktuelle Bezüge her: „Bei allen drei Bühnenwerken geht es in unterschiedlichen Facetten um ein Thema, das Faszination und Angst, Chance und Bedrohung in sich birgt: die Begegnung mit dem Fremden und dem Mechanismus von dessen Zerstörung, vor vierhundert Jahren genauso wie heute“, so Haslauer. Auch er sprach von Menschen auf der Flucht: „Sie alle wollen Sicherheit, sie alle wollen leben.“ Er appellierte, die tiefsitzende Angst vor dem Fremden zu überwinden. „Besonders die Festspiele zeigen, zu welchen geistigen, gestalterischen und künstlerischen Leistungen dieses Land, dieser Kontinent, unsere Kultur fähig ist“.

„Kunst und Kultur können uns helfen, Demagogen von seriösen Analytikern zu unterscheiden. Kunst kann bereits dann die Grenzen zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit aufzeigen, noch bevor diese für jeden offensichtlich geworden sind“, sagte Bundesminister Josef Ostermayer.

Kunst könne helfen, „auch in stürmischen Zeiten dennoch weiter am schmalen Grat der Zivilisation sicher zu gehen, die Gefährdungen für diese errungene Zivilisation beim Namen zu nennen und dann und wann auch den Finger schmerzhaft in die Wunden unserer Gemeinschaft zu legen.“ (LK/dpk-klaba)

Bilder: Peter-Andreas Hassiepen (1); Landes-Medienzentrum/Franz Neumayr (1)
Zum Wortlaut der Eröffnungs-Festrede Macht der Zeit

 

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