Zwei Unvollendete
FESTSPIELE / LAZARUS
25/07/15 Eine Oper, die mitten in einer Arie abbricht und jene populäre Symphonie, die nur aus zwei Sätzen besteht: Zwei Werke von Schubert, die immer wieder Rätsel aufgeben, erklangen am Freitag (24.7.) in der Felsenreitschule. Unvollendet kam einem der Abend trotzdem nicht vor.
Von Larissa Schütz
Zeugnisse eines Komponisten, der bis an die Grenzen seines Möglichen ging. Wirklich unvollendet ist eigentlich nur Schuberts Lazarus. Zumindest wirkt es so, wenn man das Religiöse Drama und die h-Moll-Symphonie in einem Programm hört. Freilich, die Symphonie ist es, die den Beinamen „Die Unvollendete“ erhalten hat, doch hat Schubert immergin zwei Sätze komplett niedergeschrieben.
Anders beim „Lazarus“: „Hier bricht die Partitur ab“ steht am Ende des Textes im Programmheft und genau das passiert, auf einem fast hohen H der Sängerin. Sicherlich hat Schubert hier nicht einfach den Stift nieder gelegt und das Werk liegen gelassen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Arie sehr wohl zu Ende komponiert wurde, doch bedauerlicher Weise ist die „zweite Handlung“, wie der Teil hier bezeichnet wird, nur fragmentarisch erhalten. Diesem Umstand ist unter anderem auch die Seltenheit von Aufführungen des „Lazarus“ geschuldet. Mit Ingo Metzmacher steht allerdings ein Dirigent am Pult, der das Werk tatsächlich schon öfter aufgeführt hat. Umso erstaunlicher, als er mitten in der zweiten Arie abwinkt. „Wir fangen noch mal an.“, mehr gibt es dazu nicht zu sagen, dann läuft alles einwandfrei. Man spürt Metzmachers Verbindung zu diesem Werk, er nimmt sich Zeit und gibt Zeit, die Dinge wirken zu lassen, auch in der „Unvollendeten“. Daraus entsteht letztlich ein herrlich ausgeglichener Gesamtklang, aus dem die Soloinstrumente hervor schweben.
In der Musikwissenschaft ist oft die Rede davon, dass Schubert sowohl bei der h-Moll Symphonie, als auch beim Lazarus an die Grenzen seiner Ausdrucksmöglichkeiten gelangt war. Beide Werke trennen nur zwei Jahre.
Wenn auch nur fragmentarisch erhalten, birgt der Lazarus dennoch eine vollends präzisierte Darstellung verschiedener Charaktere, gesanglich an diesem Abend bestens besetzt. Zwar gibt es durchaus szenische Anweisungen, die Aufführung in der Felsenreitschule bleibt dennoch konzertant. Bis auf Thomas E. Bauers Auftritt als Simon, der seine Arie nicht nur singt, sondern auch spielt. Simon, erschrocken über die offenen Gräber, wandelt zu Beginn der „zweiten Handlung“ zwischen den Grabsteinen umher, Bauer zwischen den Musikern. Stimmlich spielt der Bass ebenfalls höchst facettenreich und sorgt immer wieder für überraschende Wendungen zwischen Aufregung und innerer Einkehr. Werner Güra erinnert in seiner kraftvollen Interpretation manchmal fast an Wagner und Maximilian Schmitts weiches Timbre kommt am schönsten in seiner letzten Passage, Lazarus Tod, zum Vorschein. Leise und doch ausdrucksstark.
Diese Balance gelingt auch Christiane Libor besonders gut, die unglaublich kräftig und zugleich ganz leicht singt. Überhaupt sind die Damen an diesem Abend besonders in den dramatischen Passagen stark, wie Marlis Petersen besonders schön in „Der Trost begleitet dich hinüber“ beweist.
Und dann das abrupte Ende. Alle verharren in ihren Positionen. Wenn es auch Schuberts unvollendete Werke waren, die auf dem Programm standen, so war der Abend in musikalischer Hinsicht vollends gelungen.
Bilder: Salzburger Festspiele / Franz Neumayer