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Gerade heute gefragt: ein Ego-Aufpump-Gerät

HINTERGRUND / FESTSPIELE / CLAVIGO

22/07/15 Andauernd ist neuer Output gefragt, das ganze Leben steht im Licht der Öffentlichkeit -  woher soll ein Künstler die Kreativität nehmen, um ständig Neues zu schaffen? Einen Spiegel dieses Lavierens zwischen Sein und Schein sieht Regisseur Stephan Kimmig in Goethes „Clavigo“. Es ist mithin mehr als ein Trauerspiel nach gebrochenem Eheversprechen.

Von Anne Zeuner

Was bereits Goethe 1774 als 24-Jährigen beschäftigt hat, behalte heute nicht nur Gültigkeit, sondern träfe sogar in zugespitzter Form auf die gesamte Gesellschaft zu, sagt Stephan Kimmig. Johann Wolfgang von Goethe selbst habe mit 24 Jahren schon begonnen, sich und seine Rolle als Künstler in der Gesellschaft zu hinterfragen. Genau in dieser Zeit entstand „Clavigo“, ein Werk, das Goethe in nur acht Tagen geschrieben hat. „Er gewann damit eine Wette.“

Das Besondere an der Salzburger Inszenierung: Nicht nur der Text von „Clavigo“ wird auf der Bühne zu hören sein, es gibt auch andere Texte von Goethe aus dieser Zeit – etwa ein Fastnachtsspiel namens „Hanswursts Hochzeit“. Das Bild von Goethe sei viel feingliedriger, gebrochener, zerrissener als man auf den ersten Blick vermuten würde, so Stephan Kimmig: „Das habe ich entdeckt, je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigt habe.“ Der junge Goethe habe „geradezu Pop-Texte geschrieben, die von Rainald Goetz stammen könnten.“

Das Stichwort Pop-Texte hat auch Polly Lapkovskaja alias Pollyester beschäftigt, die in der Festspiel-Produktion die Verantwortung für die Musik innehat. Wobei sie das Wort Musik eigentlich gar nicht so recht in den Mund nehmen möchte. „Sound beschreibt es besser“, sagt sie. Nach einem radikalen Weg habe sie gesucht. Sie wolle versuchen, Musik ohne Musik zu machen. „Dieser eigene Anspruch hat mich zum Text gebracht“, sagt die Künstlerin. Es gehe nicht um Atmosphäre, es gehe um Doppelung dessen, was man heute Kunstblase nenne.

Auf der Bühne werde ein so genanntes Loop-Gerät zum Einsatz kommen, erklärt Polly Lapkovskaja. „Damit kann man über seinen eigenen Text weitere Texte sprechen. Im Grunde kann man so ein ganzes Orchester ersetzen“, sagt Pollyester. Teilweise erlebe man live mit, wie diese Text-Schichtungen entstehen, teilweise werden sie eingespielt. „Ich nenne es ein Ego-Aufpump-Gerät“, sagt sie.

„Das Thema gilt einfach für jeden Künstler : Wie kann man die Kunst und die Familie gleichzeitig aufrechterhalten?“, bekräftigt die Dramaturgin Sonja Anders. Für Stephan Kimmig sei die Arbeit mit dem Team sehr zentral, betont sie. Das Ensemble habe viele Ideen beigetragen, so dass eine Collage der Perspektiven vieler Menschen entstanden sei. „Mir gefällt es, dass Stephan Kimmig nicht von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen spricht, sondern von seinen Anvertrauten“, sagt Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler. Das zeige doch, dass gerade Kimmig einer ist, der andere mitnehme, aber eben auch Platz für Anregungen zulasse. In eine Schublade möchte sich der Regisseur auf keinen Fall stecken lassen, betont er: „Dafür interessieren mich einfach zu viele Ästhetiken“, sagt er. „Ich bin noch lange nicht fertig.“

Ein zentrales Thema seiner Clavigo-Inszenierung sei der Geschlechtertausch. Clavigo wird von Susanne Wolf gespielt (sie war bereits 2005 bei den Festspielen Kleists Penthesilea in Kimnigs Regie). Die Marie spielt Marcel Kohler. „Clavigo ist für mich ein sehr starker Charakter, der in Beziehungen stark investiert. Es geht  um das Auf und Ab in einer Beziehung, sie, die weibliche Clavigo, zeigt egoistische Züge, aber sie hinterfragt diese auch immer wieder“, sagt Stephan Kimmig. „Von Männern ist das jetzt doch schon genug durchgekaut worden, das kann doch nicht mehr interessieren“, findet er. Marie hingegen gehe in den Schmerz. „Er will die Grenzgebiete erforschen und kommt nicht mehr heraus. Ein Schritt zu viel und er stirbt“, sagt der Regisseur. (PSF)

„Clavigo“ hat amkommenden Montag (27.7.) im Salzburger Landestheater Premiere, weitere Vorstellungen sind am 29. und 31. Juli sowie am 2., 4., 6., 7. und 9. August, jeweils 19.30 Uhr –

Bild: Salzburger Festspiele / Anne Zeuner

 

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