Analyse und Leidenschaft
FESTSPIELE / KAMMERKONZERT VILDE FRANG, MICHAIL LIFITS
25/08/14 Die norwegische Stargeigerin Vilde Frang und ihr in Salzburg debütierender Klavierbegleiter Michail Lifits gaben einen Sonatenabend im Großen Saa des Mozarteumsl, der höchst ambivalente, aber spannende Eindrücke vermittelte. Wiener Klassik wurde zu experimenteller Romantik.
Von Gottfried Franz Kasparek
Mit Feuereifer stürzten sich die beiden zu Beginn in das Scherzo aus der „F-A-E-Sonate“ des jungen Brahms. Leider stimmte da die Balance so ganz und gar nicht – es entstand der Eindruck eines virtuos donnernden Klavierstücks, in dem lediglich im lyrischen Mittelteil die Violine mehr war als eine mitschwingende Klangfarbe. Lifits, Deutscher aus Usbekistan, liebt harte Akzente und brillante Läufe, was ihm auch bestens gelingt. Trotzdem wäre zu fragen, ob ein Steinway für die an diesem Abend gespielte Musik wirklich das adäquate Instrument ist. Es müsste ja nicht gleich ein Hammerklavier der Spätzeit sein, aber ein wenig mehr an Wärme statt kühlem Glanz wäre schön. Auch zu fragen ist, warum die wertvollen Beiträge Schumanns und des unterschätzten Albert Dietrich nicht doch hin und wieder das Brahms-Scherzo zur kompletten Sonate ergänzen könnten.
Vilde Frang hat mit historisch informierter Spielweise nicht viel zu tun. Es ist reizvoll, die dräuende Romantik in Sonaten Mozarts und Beethovens offen zu legen. Die ist nämlich durchaus drin in dieser Musik, welche in manchen Mainstream-Interpretationen zu sehr nur nach rückwärts blickend getrimmt wird. Über Vibrato lässt sich trefflich streiten, schon seit Leopold Mozart in seiner Violinschule den Missbrauch dieser alten Technik angeprangert hat. Möglicherweise hätte ihm Vilde Frangs zärtlich vibrierende Sichtweise des Andantes aus Wolfgang Amadés Es-Dur-Sonate KV 481 gut gefallen, zumal sich auch der Pianist hier zu leiseren Tönen bereit fand. Was in den Ecksätzen wirklich passierte, entzieht sich ein wenig der Kritik, denn da schlug der Flügel wiederum die Geige, was die leidige Lautstärke betraf.
Auffallend ist Vilde Frangs oft faszinierende Mischung aus suchender Analyse, oft sehr introvertierter Spielweise und jäh aufflammender spielerischer Leidenschaft, was schon bei Mozart mitunter deutlich wurde und im Falle von Beethovens recht selten gespielter A-Dur-Sonate op. 30/1 zu widersprüchlichen Eindrücken führte. Nach der Pause fand sich das Duo offenbar akustisch besser zusammen, also konnte man mehr an interessanten Details hören. Der Drang, Einzelheiten gezielt und akkurat heraus zu stellen, führte freilich manchmal nahezu zum Stillstand der Musik. Aber ist die frühe Romantik nicht auch ein experimentelles Labor der Moderne gewesen?
Im Finale des Konzerts, bei der süffigen, jedoch ebenfalls in vielen Momenten mit überraschenden Pointen gespickten Es-Dur-Sonate op. 18 des jungen Richard Strauss, war dann die Virtuosenwelt in bester Ordnung. Da leuchtete endlich der Geigenton prächtig über das Klavier hinweg, da fanden sich Momente melodienseliger Emphase, die allerdings nie überbordete. Der insgesamt eher freundlich anerkennende als jubelnde Applaus wurde mit einem wundersamen Schmachtfetzen erster Güteklasse belohnt, „Estrillita“, der kleine Stern, ein Lied des Mexikaners Manuel Ponce, arrangiert von Violinlegende Jascha Heifetz.