Der Mezzo-Engel ist leider Mätresse des Königs
FESTSPIELE / LA FAVORITE
24/08/14 Es gehört zum guten Ton, am „Troubadour“ wegen des wenig stringenten Librettos herum zu mäkeln. Was tut man dann mit Donizettis „La Favorite“? Die Oper zählt zum absolut Dümmlichsten, was im 19. Jahrhundert auf die Opernbühne gekommen ist. – Aber wer denkt schon darüber nach, wenn Elīna Garanča oder Juan Diego Flórez für die beiden Hauptrollen da sind?
Von Reinhard Kriechbaum
Alle wissen, wer die Mätresse des Königs ist – nur der doofe Fernand lässt sich mit verbundenen Augen von den Hofdamen der Léonor ins Liebesnest auf einer Insel rudern, um von der Süßen zu naschen. Dafür sagt er, wiewohl angehender Mönch, dem Kloster Adieu. Dann zieht er für den König ins Feld, um der unbekannten Schönen würdig zu sein. Wenn es dann eng wird für den König und die Mätresse und der Prior, Sittenwächter und geistlicher Erzieher Fernands (!) mit einer päpstlichen Bann-Bulle rausrückt, wird Fernand schön schnell mit Léonor verheiratet. Damit ist das G’spusi des Königs pro forma unter der Haube und der König aus dem Schneider. Zuletzt ist der aus allen Liebeswolken gefallene Fernand (dem die Höflinge ja doch gesteckt haben, wen er da geehelicht hat) wieder zurück im Kloster. Léonor als vermeintlich kranker Novize schleicht sich ein, um vor ihrem Tod dem Liebsten nochmal nah zu sein.
Zuletzt in Österreich hat man vergengenes Frühjahr an der Grazer Oper einen Versuch mit „La Favorite“ gewagt und die Handlung in ein Milieu des Ku-Klux-Klan verlegt, ohne die Sache wirklich plausibel zu machen. Es braucht einfach das Maximum an Belcanto, um die Handlung einfach wegzustecken. Zum Beispiel Juan Diego Flórez, der den gesamten ersten Akt lang mit exponiertesten Tönen nur so um sich wirft, aber auch in der lyrischen Kantilene gar Wundersames anzubieten hatte an diesem Abend. Der Férnand ist derzeit wohl eine Traumpartie für ihn.
Elīna Garanča ist sowieso eine Klasse für sich als Léonor. Gülden lässt sie ihre Stimme fließen, ein breiter Strom des Wohllauts und der technischen Unanfechtbarkeit. Nicht ein Manierismus trübt diese geradezu exzessive Innigkeit, die so viel Volumen hat, dass der ehrgeizigst mit hohen C’s auftrumpfende Tenor-Partner akustisch doch eine Art Bittsteller bleibt (was ja genau rollendeckend ist in diesem Fall).
Umso nachdrücklicher hat sich dieses in jeder Hinsicht imponierende Duo positioniert, als der Dirigent Roberto Abbado am Pult des Münchner Rundfunkorchesters (vielleicht doch nicht erste Wahl für die Festspiele) nicht gerade zurückhaltend gebärdet hat. So viel emotionaler Überdruck vom ersten Ton der Ouvertüre an! Das hat gerumpelt und geknallt. Über die bei einer französischen Oper (auch einer solchen von Donizetti) unverzichtbare Ballettmusik kann man in dieser vom Dirigenten her reichlich lieblosen Wiedergabe auch nur sagen: ein Sammelsurium von Hops-Tänzen…
Da musste also schon der vierte Akt heraufdämmern mit seinen Orgeltönen und Mönchschören (sehr homogen und wendig: der von Walter Zeh einstudierte Philharmonia Chor Wien), auf dass ein wenig Besinnung in die massive Orchesterbrühe kam.
Damit hatten sich die anderen Sänger abzuplagen und haben das mehrheitlich sehr gut gemacht: Ludovic Tézier als Alphonse XI. vor allem, der hinter des Basses Urgewalt immer ein wenig den charmanten Grandseigneur raushängen lässt. Carlo Colombara, der Chef-Mönch Balthazar, setzte sehr auf Kraft. David Portillo als Don Gaspar machte gute Figur als Stichwortbringer für den König – und er ist ja schließlich derjenige, der mit den Chor-Mannen den armen Fernand aufklären muss – eine dankbare Rolle.
Gut, dass „La Favorite“ nur als konzertante Oper offeriert wurde. Es hat seinen Grund, dass das Stück, wiewohl süffigster Belcanto, nicht mehr hoch gehandelt wird.