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Neunzig Bergführer für Bruckner

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / RICCARDO MUTI

16/08/14 Für einen Himalaya-Aufstieg mag man mit einer Gruppe Sherpas besser beraten sein. Geht es aber um Bruckner-Gipfel, und seien sie auch noch so hoch, dann unbedingt die Wiener Philharmoniker.

Von Reinhard Kriechbaum

Riccardo Muti konnte am Freitag Vormittag (15.8.) im Großen Festspielhaus auf neunzig Bergführer bauen. Eine verlässliche Angelegenheit, zudem man nicht den Eindruck hatte, es fehle dem Bergtouristen an Ausdauer und Trittsicherheit. Aber dann halt doch: Der erste Satz hat letztlich so gewirkt, als ob dieser Bergwanderer trotz sachkundiger Begleitung immer wieder die Karte aufschlägt und sich des rechten Wegs versichert.

Sei’s drum, alle sind gut angekommen auf den Blechgipfeln der „Sechsten“. Halbschuhtourist ist Muti auch bei Bruckner keiner, auch wenn dem auf der Apenninenhalbinsel Geborenen die doch extremere Höhenluft nicht so liegt. Das Adagio hat sich so angehört, als ob Riccardo Muti und seine Berg-Guides sich mit einigem Stolz ob der erreichten Höhe niedergelassen und nicht nur das Panorama so recht genossen haben: Auch Quellwolken tun in einer solchen Umgebung ihre Wirkung. Eher vertrautes Terrain für Muti hält in dieser Symphonie das Scherzo bereit, aber alles in allem muss man nach diesem Konzert freilich sagen: Die für Muti übersichtlicheren Pfade finden sich bei Schubert, dessen „Vierte“ deutlich überzeugender gelungen ist.

„Die Tragische“, wie bemerkenswerterweise Schubert selbst sein c-Moll-Werk D 417 bezeichnete, hatte Tiefe. Auffallend zurückgenommen das Tempo im Menuett, dessen Trio ungemein fein ziselieren ließ. Noch mehr in Erinnerung geblieben sind manch gewichtige Streicher-Phrasierungen im langsamen Satz, in dem Muti sehr genau das Fädenwerk einzelner Stimmen aufgedröselt hat. Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre hat Muti mit den Wiener Philharmonikern die Schubert-Symphonien auf CD eingespielt. Die Tiefensicht jetzt auf die „Vierte“ kann man mit damals nicht vergleichen.

Dieses Konzert, wiederholt am 16. Und 17. August, war dem Gedenken an den vor 25. Jahren gestorbenen Herbert von Karajan gewidmet. Damals hat Muti übrigens, knapp vor Festspielbeginn, zur Totenmesse im Dom Mozarts Requiem dirigiert. Die Liveübertragung des zu Ferragosta schon obligatorischen Muti-Konzerts fand diesmal ohne Fernsehkameras statt. Die Welt ist derzeit in Ordnung in Salzburg: Selbst in der Konzertpause haben in der Hofstallgasse noch Karten ihren Besitzer gewechselt. Besser dran waren die, die im ersten Teil den Schubert hörten.

Bilder: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli

 

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