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Orpheus ist Django Reinhardt

FESTSPIELE / YDP / ORPHEUS

12/08/14 „Talkie“ hat man zu dem sich in den dreißiger Jahren allmählich den Weg bahnenden Tonfilm auch gesagt. Das Little Bulb Theatre hat den Orpheus-Stoff in eine teils grelle, teils verspielte Revue im Paris der Zwischenkriegszeit verwandelt. Optisch reitet man die Stummfilm-Ästhetik zu Tode, aber es ist ein netter „Soundie“.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Leute vom Little Bulb Theatre, einem südostenglischen Tourneetheater, sind rechte Tausendsassa: Jeder Einzelne ist ein ganz vorzüglicher Instrumentalist und Sänger. Sie alle haben auch keine Scheu, tanzend und springend über die kleine Bühne zu wirbeln. Kann man Schauspielerei dazu sagen? Nennen wir es: beherztes Outrieren – mit einem unbestreitbaren Talent, für kurze Momente auch Poesie, Magie einzubringen.

Vor allem aber geht es musikalisch turbulent zu. Orpheus ist der Gitarrist der Gruppe. Er ist als Django Reinhardt hergerichtet. Der war ja ein Pariser Gipsie, passt also gut zu Zeit und Ort. Dominic Conway hat sich dessen Spieltechnik gut abgeschaut. Der Unterweltsgott Hades ist Alexander Scott, Theaterleiter und Regisseur der Aufführung. Er ist Klarinettist in der Musik-Crew. Wenn er als Hades zum Sopransaxophon greift und mit dem klimpernden Orpheus/Django um Eurydike wetteifert, wird das eine recht tolle Instrumentalnummer.

Überhaupt ist die Musik die Hauptsache, Einspielungen und live Produziertes (die Protagonisten stürzen immer wieder von der Bühne zu den Instrumenten am Bühnenrand zurück) sind tollkühn verschnitten. Da darf schon am Beginn eine kleine Introduktion ins Thema als verspielte Opernszene „in modo antico“ stehen (immerhin ist der älteste existierend „Orfeo“ von Claudio Monteverdi. Erstaunlich, dass man in dem musikalisch so anregenden Konglomerat auf Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ verzichtet hat. Nachdem Orpheus sich ja doch umgeblickt hat und Eurydike endgültig aus dem Verkehr der Welt gezogen ist, kommt auch kein Zitat auf das berühmte „Ach ich habe sie verloren“ aus der Gluck-Oper. Darauf zu verzichten, ist eigentlich auch ein Gag.

Als Musikfreund kommt man auf seine Kosten, gesprochen wird ganz wenig, das meiste von Eugenie Pastor als Diseuse „Yvette Papin“: ein nerviges, schrilles Plappermäulchen. Sie schlüpft auch in die Rolle der Eurydike und kann obendrein gut Querflöte spielen. Die Damencombo (Miriam Gould, Violine, Shamira Turner, Akkordeon und die hyperaktive Clare Beresford, Kontrabass) hat köstliche Gesangsnummern parat, etwa als Zerberus mit seinen drei Hundeköpfen.

Mit einer gewissen Hemmungslosigkeit wird optisch illustriert und der Slapstick wuchert. Was man als Publikum mitbringen muss für diese Art von Theater? Am besten dicke Schenkel, die was hermachen, wenn man drauf klatscht. Das ist eine angemessene Reaktion, und drum waren geschätzte zwei Drittel des Publikums am ersten der vier Salzburger Abende so richtig hemmungslos begeistert.

Das übrige Drittel mag sich ein bisserl fremdgeschämt und sinniert haben: Was hat eine Produktion, die auf einem Kleinkunstfestival allemal berechtigt Furore machte, beim „Young Director’s Project“ der Festspiele suchen? Es bahnt sich auch heuer, beim letzten YDP, ein Wettbewerb zwischen völlig Unvergleichbarem an. Eine Stadttheaterproduktion von Tollers „Hinkemann“, das beherzt-engagierte Studententheater „36566 Tage“und jetzt eben diese „Orpheus“-Revue – das geht einfach nicht zusammen in einer Reihe.

Warum also wirklich dieser Musik-Orpheus? Auf den 1914-Jahresschwerpunkt kann man nicht ernsthaft rekurrieren: Die Revue ist pure l‘Art pour l’art, Zeit und Ambiente sind bloß Staffage. Schauspieldirektor Sven-Eric Bechtolf hat als eine seiner vielen Leitlinien einst beschrieben, er wolle immer auch eine Produktion im Programm haben, in der Schauspiel mit Musik zusammengeht. Auf der Website der Festspiele nennt Bechtolf nun diese englische Tourneeproduktion in einem Atemzug mit dem Shakespear’schen „Sommernachtstraum“ im Vorjahr und der Uraufführung von "Meine Bienen. Eine Schneise" von Händl Klaus. Die Linie ist eine ziemlich krumme Kurve.

Weitere Aufführungen am 13., 14. und 16. August im “republic” – www.salzburgerfestspiele.at
Salzburger Festspiele / Bernhard Müller

 

 

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