Schau schau, der Weill!
FESTSPIELE / MOZART-MATINEE / MINKOWSKI
11/08/14 Es bringt schon was, wenn man auch wohlbekannte Dinge probt: Die Martern-Arie aus der „Entführung“ zum Beispiel hat in der jüngsten Matinee des Mozarteumorchesters nicht die Spur nach Routine geklungen.
Von Reinhard Kriechbaum
Marc Minkowski hat die drei „Solisten“, den Geiger Frank Stadler, den Flötisten Bernhard Krabatsch und die Oboistin Isabella Unterer nicht nur zusammenrücken, sondern auch aufstehen lassen, und so ist der „Concertante“-Charakter dieser Arie ganz ungewohnt deutlich herausgekommen. Und so sehr Lenneke Ruiten da auch ihr Temperament entfesselt hat (Selim Bassa sollte sich gut überlegen, eine wie sie in den Harem zu holen) hat: Es war zugleich ein Stück aller kostbarste Kammermusik, in den Phrasierungen detailgenau erarbeitet.
Die weniger populäre Entführungs-Arie „Traurigkeit ward mir zum Lose“ ist den Martern vorausgegangen, und vor der Pause war noch die an koloraturen reiche Konzertarie „Ah se in ciel, benigne stelle“ KV 538 zu hören – in Summe eine ganz wunderbare Matineen-Visitenkarte für Lenneke Ruiten, die als Donna Anna im „Don Giovanni“ heuer gar nicht so furchtbar gelobt worden ist. Hier konnte die junge niederländische Sängerin zeigen, was sie kann, wenn ihr die Begleiter die Optionen dazu bieten. Marc Minkowski und das Mozarteumorchester haben das Beste gegeben. Lenneke Ruiten ist eine Senkrechtstarterin mit besten Optionen, keine Frage.
Marc Minkowski hat in der Matinee am Samstag (9.8.) daran erinnert, dass es Gerard Mortier war, der ihn 1997 mit dem Mozarteumorchester zusammenbrachte. Das war eben für die „Entführung“ im Residenzhof, die der Regisseur damals auf den Golan-Höhen ansiedelte. Die Welt ist nicht friedlicher geworden seither.
Der symphonische Rahmen der Matinee: Da war einmal die unglaublich tänzerisch, im Finalsatz schon beinah überdreht angegangene Symphonie Nr. 33 B-Dur KV 319 von Mozart. Zum Schluss aber ein Gustostück der ausgefallenen Art, Kurt Weills Symphonie Nr. 2. Sonderbar eigentlich, dass dieses Stück trotz der allerorten intensiven Beschäftigung mit Exilmusik kaum beachtet worden ist. Der langsame Satz, so knallig-bombastisch er auf den ersten Blick daherkommen mag, ist ein berührendes tönendes Dokument: ein Trauermarsch auf die Welt, die Weill damals hinter sich hat lassen müssen. Überhaupt steht diese Komposition für einen ganz anderen Weill, als man ihn aus der „Dreigroschenoper“ kennt.
Weills Zweite Symphonie ist eine doppelbödige, manchmal ironische Musik, die man mit Schostakowitsch ohne weiteres in einem Atemzug nennen dürfte. Und was obendrein wundert: Sie hält für die Solobläser so viel unglaublich Pfiffiges, Schmeichlerisches Trauriges bereit, dass dieses Werk eigentlich zum Lieblingsstück der Orchester taugte. Marc Minkowski also mal mit etwas ganz anderem: Die Musizierlust schien ungebremst, aber auch der Blick in die Tiefe ist dieser Wiedergabe nicht abgegangen. Man wollte eigentlich jeden der solistisch so gut beschäftigten Holz- und Blechbläser einzeln vor den Vorhang holen…