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Erhellend und bewegend

SOLISTENKONZERT / SOKOLOV

11/08/14 Alle Sehnsucht, alle Trauer, alle Hoffnung dieser Welt in zwei Händen: Grigory Sokolov festigte mit seinem Chopin-Abend im Großen Festspielhaus wieder einmal seine Position als einer der bedeutendsten Pianisten unserer Tage. Wenn er nicht überhaupt der Maßstabsetzer schlechthin ist.

Von Heidemarie Klabacher

An diesem Abend hat Sokolov jedenfalls Chopin-Aufführungsgeschichte geschrieben. Seine Wiedergabe der Klaviersonate Nr. 3 h-Moll op. 58 war eine Sternstunde pianistisch-technischen Könnens. Vor allem aber war es eine Sternstunde im Erschließen des tiefsten Gehaltes von Musik. Nicht einmal das Wissen um den ätherischen Zugang eines Arthur Rubinstein zum Largo reicht an die überirdisch zarten und zugleich intensiven Klänge heran, mit denen Grigory Sokolov die Zeit stehen und die Welt den Atem anhalten lassen.

Launig und bockig und ohne einen Gedanken an mögliche Grenzen des schier aberwitzigen Tempos ließ Sokolov zuvor das Scherzo vorübertanzen, nicht ohne dem pikanten Flirren und Flirten mit allem, was da reizend ist, im „Nebenthema“ das Nachdenken in Ruhe und Besonnenheit anheim zu legen.

Grigory Sokolov ist keiner der „Virtuosen“, der sich im Lichte seines Könnens sonnt. Wenn dieser Musiker die Bühne betritt, dann nicht, um den staunenden Bewunderern seine stupende Technik vorzuführen, die keine Grenzen zu kennen scheint. Sokolov kommt, um dem Komponisten und dessen Werk zu dienen, es in das wahrhaftigste Licht zu setzen.

Das gilt für die Sonate, vielleicht aber noch viel mehr für die Auswahl an zehn Mazurken aus op. 30, op. 50 und op. 68. Jede einzelne schien alle Emotionen zu spiegeln, derer der fühlende Mensch fähig ist: sprudelnde Freude, überwältigendes Leid, grenzenlose Trauer und ihre ruhevolle Bewältigung.

Technisch gibt Grigory Sokolov jedem Akkord, jedem Lauf und jedem einzelnen Ton im kleinsten Triller das ihm zukommende ideale Gewicht. Jedes Tempo, ob getragenes Largo oder funkelndes Presto, atmet organisch in sich ruhende Selbstverständlichkeit - auch und vielleicht sogar besonders – in den schnellen und schnellsten Tempi. Das wird daran liegen, dass Sokolov das Virtuose eben nicht dazu missbraucht, um sich selbst als Virtuose in Szene setzen.

Wie launig werden in den Mazurken Nachdenklichkeit, ja Trauer, zum Lächeln zum Tanzen verführt, bis sie sich in ebenso freundlicher Bestimmtheit, wie etwa in op. 50 Nr. 3, aus dem heiteren Weltgeschehen wieder zurückzuziehen. Jedes einzelne dieser gar nicht immer großformatigen Virtuosenstücke wird bei Sokolov zum Psychogramm, zum Bild für den raschen Wechsel der menschlichen Glücks- und Unglücksverhältnisse.

Die Zugaben machen bei Grigory Sokolov ja immer einen eigenen Programmpunkt aus: Sechs waren es diesmal, darunter Kaliber wie Schuberts Impromtus. Da eröffnete Grigory Sokolov seinem enthusiastisch ausharrenden Publikum weitere Perspektiven: Chopin und Schubert erschienen plötzlich als Brüder im Geiste. Eine überwältigende Erfahrung.

SFS/Silvia Lelli

 

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