Staunen erschöpft im Detail
FESTSPIELE / PHILHARMONIA ORCHESTRA / DOHNÁNY
08/08/14 Schwerlaster schaffen tonnenweise Material herbei und der Vorarbeiter koordiniert den Einsatz: Das ist die Hochbau-Variante der Bruckner-Interpretation. In der Architektur-Variante zeichnet der Dirigent in der Partitur wie auf dem Reißbett die tragenden Elemente nach und macht die Bauweise sinnfällig. Christoph von Dohnányi am Pult des Philharmonia Orchestra hat sich für die Landschaftsmaler-Variante entschieden.
Von Heidemarie Klabacher
Im Bruckner-Symphonienzyklus stand nun also die „Neunte“ auf dem Festspiel-Programm. Christoph von Dohnányi am Pult des Philharmonia Orchestra näherte sich der "Neunten" als Landschaftsmaler: mit jahrzehntelang geschultem Blick für die landschaftlichen Schönheiten und Abgründe und mit dem souveränen Bewusstsein für die Ruhe- und die Gefahren-Stellen, die das monumentale Fragment birgt.
Die Bläser des Philharmonia Orchestra machten eine gute Stunde lang Staunen. Vor allem die Hornistinnen und Hornisten, deren vier im Finale ihre Instrumente gegen Wagner-Tuben tauschen. Die erste Hornistin erfüllte - dank perfektem Ansatz und virtuoser Tonbildung – mit ihrem pianissimo das Große Festspielhaus. Überwältigend die weich und geschmeidig intonierten und doch so tragfähigen Hornchoräle.
Grandios das wütende Stampfen im Scherzo. Eindrucksvoll das Crescendo hin zum schreiend-dissonanten Tuttiakkord vor der Generalpause im Adagio. Es gab im Detail also genug zum Staunen, Verführungen zum konzentrierten Zuhören. Dennoch erschöpfte sich (und den Zuhörer) diese Wiedergabe eben im Detail. Stifter sagt es sinngemäß im "Nachsommer": Wenn man in der Gebirgsdarstellung zu sehr ins Detail geht, nimmt man dem Ganzen die Größe.
Eröffnet haben das Philharmonia Orchestra und Christoph von Dohnányi diesen Abend zusammen mit Camilla Tilling. Die Schwedische Sopranistin hat – ohne mit etwas anderem als Problemen mit der Vokalfärbung in Erinnerung zu bleiben - die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss gesungen.