Musik im Schatten des Krieges? Musik als Kraftquelle!
FESTSPIELE / ISSERLIS & FRIENDS
08/08/14 Mit Steven Isserlis haben die Festspiele einen umtriebigen Spitzenmusiker engagiert, der im Gedenkjahr 1. Weltkrieg das Schwerpunktthema medial umfangreich bedient. Unter dem Titel „Music in the Shadow of War“ hat er für Salzburg mit seinen Freunden ein überwältigendes Kammerkonzert mit 1914 bis 1918 komponierten Werken zusammengestellt.
Von Erhard Petzel
Es tritt dabei ein Wesen von Musik deutlich zutage: was immer an Hintergrundrecherchen zu Werken fesseln und welche Beziehungen zu faszinieren vermögen, in ihrer Wirkung lässt sich Musik selten auf solche Parameter hin fokussieren, selbst wenn man als Konsument durch ein programmatisches Umfeld auf diese Informationen hin sensibilisiert ist.
So spielt es keine Rolle, ob Debussy sich bei seiner Sonate für Violine und Klavier in g-Moll als französischer Komponist ausweist und Fauré bei seiner Sonate für Violoncello und Klavier Nr.1 in d-Moll op. 109 dergleichen Verquickungen von Nationalität und Kunst dezidiert von sich weist. Die Zusammenstellung beider Werke besticht durch den unmittelbaren Vergleich.
Spannend das Verhältnis klanglicher, melodischer und struktureller Gemeinsamkeiten zu den individuellen Eigenheiten der Komponisten. Auch wenn der Eindruck, dass Fauré stärker dem Gestus des romantisch Virtuosen verbunden ist, optisch durch die dramatische Bühnenpräsenz Isserlis verstärkt sein mag. Dénes Várjon am Klavier ist ihm und dem Geigenvirtuosen Joshua Bell ein sensibler und ausdrucksstarker Partner.
Den Gipfel zum kommunikativen Spitzenerlebnis erstürmt das Idealduett Bell/Isserlis in Kodálys Duo für Violine und Violoncello op. 7, das sich durch seine insistierende Treue zu den strukturellen Ideen von den Werken der französischen Kollegen abgrenzt. Das Adagio bietet dem thematisch verleiteten Hörer dann auch die Gelegenheit zur Assoziation: Nach einer Geigenklage über einem dramatischen Con-sordino-Tremolo des Cellos wird die klangliche Umdeutung des thematischen Materials zur Klage von Mutter und Tochter um den abkommandierten geliebten Mann.
Davor - als keckes Interludium - vierhändige Leichtigkeiten von Strawinsky aus dem Schweizer Exil. Freilich könnte man das, was da von Dénes Várjon und Izabella Simon an Paraphrasen zu beliebten Tänzen und Ethnostereotypen gereicht wird, auch als Abgesang an die schöne Epoche deuten; der Marche zu Beginn soll sich etwa auf den Kriegseintritt Italiens beziehen. Viel mehr wirkt es aber nach kindlich-destruktiver Lust an bitonaler Parodie.
Nach der Pause mit Edward Elgars Klavierquintett in a-Moll op. 84 dann das stilistisch konservativste Werk des Abends. Der romantische Klangrausch, erweitert um die Violine Arisa Fujitas und die volltönende Viola Lawrence Powers, erinnert mit seiner Städtel-Melodie im Seitenthema des 1. Satzes an Mahler im schmerzlichen Abgesang an die Epoche, die als die eigene empfunden wird. Das Adagio ein melancholisches Schwelgen. Die finale Stretta nach der gebrochenen Walzer-Lyrik des Schusssatzes reißt das Publikum in der Konsequenz eines künstlerisch bestechenden Abends in den Strudel der Begeisterung.
Eine Zitrone für grässlichste Körpergeräusche diverser Publikums-Solisten in die Nach-Hör-Räume hinein. Die Krone für das Schnäuz-Attentat im Ersterben zum Finale von Elgars 1. Satz!