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Wohlige Klangbäder mit Gänsehaut

FESTSPIELE / GRINGOLTS QUARTETT

04/08/14 Im Klang schwelgen, baden, sich auflösen wollen, dann wieder vor der Schroffheit zurückschrecken, in der Intensität sich verlieren, in die Dichte eintauchen, unendliche Schönheit neben aufreibender Härte – all dies verband das Programm des Kammermusikkonzerts mit dem Gringolts Quartett.

Von Christiane Keckeis

Maurice Ravel, Marc-André Dalbavie und Richard Strauss also am Freitag (1.8.) im Großen Saal des Mozarteums: Mit dem Gringolts Quartett fand sich ein Ensemble, das nicht nur großartig im Sinne der Komponisten mit den farblichen Möglichkeiten des Streicherklangs jonglierte, sondern auch durch ein ganz organisches Miteinander den musikalischen Fluss gestaltete.

Ravels einziges Streichquartett wurde in der zeitgenössischen Rezeption um 1905 und auch von Ravel selbst als Aufbruch in eine neue musikalische Sprache verstanden, es brach mit tradierten Kompositionstechniken und löste Eklat wie Begeisterung aus. Das Gringolts-Quartett widmete sich Ravels einst umstrittenen Facetten mit Hingabe. Innige, schwingende Klangteppiche, ganz dicht verwoben, ohne irgendetwas zuzudecken bestimmen den Beginn des ersten Satzes, bis die fein gestaltende erste Violine (Ilya Gringolts) das Thema gefunden hat und weitergibt. Ravels Klangfarbenspiel beim Fluss des Themas durch die vier Instrumente sorgt durch die farblich pfiffige Gestaltung für Verwirrung: wer spielt denn da eigentlich: Violine oder Bratsche? Oder doch das Cello? Und überhaupt die Bratsche: Silvia Simonescu bricht gemeinsam mit Ravel eine Lanze für das so oft der Belanglosigkeit ausgesetzte Instrument: wie herrlich sie Linien gestaltet in Ton- und natürlich Farbgebung, mit welcher Energie und Intensität sie oft führt – das ist wundervoll zum Zuhören. Temperamentvoll kommt der spanisch angehauchte zweite Satz daher, da eckt nichts, die Musizierenden verstehen sich blind, sind beieinander, greifen ineinander ohne Zwang. Das Klagen des dritten Satzes, der über den ständigen Taktwechseln trotzdem Ruhe und Tiefe erreicht, die Leidenschaft des vierten Satzes, die sich in einer von allen vier Musizierenden einhellig gefühlten Bewegung zwischen den Polen bewegt, und bezüglich der Klanggebung der von allen vieren sehr bewusste und erfrischend sparsame Gebrauch des Vibratos: Alles wirkt natürlich bis hin zum innigsten Pianissimo, bis hin zu den dynamischen Stimmungsbrüchen. Als könne es gar nicht anders sein. Und hat doch Spannung und Eindringlichkeit.

Spannung, Eindringlichkeit und Klang bestimmen auch das Quatuor à cordes von Marc-André Dalbavie, des heurigen Gastkomponisten der Festspiele, der aus dem musikalischen Spektralismus kommt: Schroff beginnt das Werk mit graden bläserhaft anmutenden Stößen, die sich zu schwebend übereinander liegenden Tönen entwickeln, über denen sich wieder Melodien herausschälen, untermalt von einer harmonisch minimalistischen Dichte, wilde Aggressivität verlöscht in unendlich ruhigen Akkorden mit feinen Melodiebögen, rhythmische Ausbrüche stehen im Spannungsfeld zu großer Ruhe. Dalbavies Werk findet beim Gringolts Quartett kongeniale Interpreten, die die Spannung halten, die Übergänge deutlich zeichnen, den Spagat zwischen Virtuosität und ruhigster Tongestaltung problemlos bewältigen und frei sind von hindernden Schönheitsvorstellungen. Da darfs auch einmal rau zugehen, die Schönheit kommt dann später wieder dran. Das Publikum feiert die Musizierenden ebenso wie den anwesenden Komponisten.

Last not least Richard Strauss´ Metamorphosen in einer Rekonstruktion für Streichseptett. Jonathan Brown (Viola), David Geringas (Violoncello) und Dariusz Mizera (Kontrabass) ergänzen die Quartettbesetzung und sorgen für neue individuelle instrumentale Klangfarben . Strauss Abgesang auf die spätromantische Epoche, seine Trauer über den Untergang seiner Welt mit dem Ende des zweiten Weltkriegs wird in der Interpretation der sieben Musizierenden emotional mehr als deutlich, allein: manches bleibt breiig, schwammig, verliert sich, das erste Cello (Claudius Herrmann) geht mit seinen Themen oft unter, etwas mehr Transparenz, ein bisschen mehr Gewicht auf die Balance hätte die Gestaltung noch eindrücklicher gemacht – dennoch: die Gänsehaut beim ausklingenden Trauermarsch bleibt nicht aus.

Bild: Salzburger Festspiele / Tomasz Trzebiatowski

 

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