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Der „Erfolg“ des Giftgases

FESTSPIELE / PERNERINSEL / THE FORBIDDEN ZONE

31/07/14 Wie „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus thematisiert auch „The forbidden zone“ von Duncan MacMillan den Krieg. Im Vorfeld der Uraufführung am Mittwoch (30.7.) auf der Halleiner Perner-Insel war mehr als vom Autor von der britischen Regisseurin Katie Mitchell die Rede.

Von Werner Thuswaldner

Das Stück suggeriert, dass der Gang der Ereignisse im 20. Jahrhundert anders gewesen wäre, dass womöglich die Brutalitäten der Weltkriege unterblieben wären, hätten Frauen mehr Einfluss auf die entsprechenden Entscheidung gehabt. Um diesen Gedanken zu unterstreichen, wurde die Vorlage mit Texten von Virginia Woolf, Emma Goldman, Simone Beauvoir und Hannah Arendt ergänzt. Aber die Frauen wurden ferngehalten und einige zogen daraus eine selbstmörderische Konsequenz. Darunter die Chemikerin Clara Immerwahr und deren Enkelin Claire Haber. Clara Immerwahr war die Frau des Chemikers Fritz Haber, der die wissenschaftliche Grundlage für den Giftgaskrieg im Ersten Weltkrieg legte. Im Stück wird dargestellt, dass er dies als deutscher Patriot mit kaltem Blut tat und die Anerkennung des deutschen Militärs als assimilierter Jude genoss. Er wurde zum Hauptmann befördert und 1919 erhielt er den Nobelpreis. Clara Immerwahr stellte sich gegen seinen Erfolg, der ihr höchst zweifelhaft erschien, und erschoss sich mit der Dienstpistole ihres Mannes.

Ihre Enkelin arbeitete Ende der dreißiger Jahre in den USA an einem Programm über Gegenmaßnahmen zu einem Gasangriff. Es wurde eingestellt und die Mittel einem Programm zur Entwicklung der Atombombe zugeschlagen. Zugleich musste sie schlagartig erkennen, dass die Forschungen ihres Großvaters die Voraussetzung für die Produktion des Gases Zyklon B gewesen sind, mit dem Millionen Juden umgebracht wurden. Daraufhin vergiftete sich Claire Haber.

Über diese dokumentarischen Fakten hinaus wird dem Stoff des Stücks auch noch das Schicksal eines französischen Soldaten hinzugefügt, der den qualvollen Giftgas-Tod stirbt.

Katie Mitchells Produktion – gemeinsam mit der Berliner Schaubühne – liegt ein multimediales Konzept zugrunde. Auf der Bühne stehen zwei Waggons eines Vorortezugs. Sie scheinen wirklich zu fahren, Leute steigen ein und aus. Dazwischen werden abwechselnd verschiedene Räume sichtbar, ein Wohnzimmer etwa, ein Labor.

Das Ensemble spielt die einzelnen Szenen und wird dabei gefilmt. Der Film mit jeder Menge Nahaufnahmen läuft auf einer Leinwand über der Bühne. Die Regisseurin bricht die Illusion, indem sie zeigt, wie die Bilder von einem Filmteam hergestellt werden. Dadurch erscheint das Geschehen vordergründig und geheimnisvoll zugleich.

Vielleicht hilft diese Art der Ästhetik, die keinen geringen Aufwand und bewundernswerte Präzision provoziert, dass es dem Publikum leichter fällt, die gehörige Dosis an Emotionen, die in dem Stück stecken, zu ertragen. Die einzelnen Zeitebenen sind durch ein fein gewobenes Beziehungsgeflecht aus parallelen Motiven miteinander verbunden. Das ist penibel ausgedacht und ebenso penibel umgesetzt.

Katie Mitchell ist darauf bedacht, Spannung zu erzeugen. Claire fährt in einer langen Szene durch die Nacht. Außer ihr ist nur noch ein amerikanischer Soldat im Waggon, von dem sie zunächst verbal und dann körperlich bedroht und schließlich attackiert wird. Den Selbstmord der beiden Frauen schneidet sie so, dass er zeitgleich erscheint. Clara Immerwahr – Ruth Marie Kröger spielt eine Dulderin, bis das Entsetzen die Kraft zur Selbstdisziplinierung übersteigt – geht in einem Wasserbecken unter, während Claire – Jenny König trägt gefrorene Verzweiflung im Gesicht – im Todeskampf, auf dem Boden einer Toilette liegend, zappelt.

Weitere Aufführungen bis 10. August auf der Pernerinsel in Hallein – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Stephen Cummiskey

 

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