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Saite, Luftsäule oder Lautsprecher?

FESTSPIELE / SALZBURG CONTEMPORARY / DALBAVIE

31/07/14 Wie angenehm, dass „Salzburg contemporary“ schon 1904 beginnt – und bei Stücken, die Strawinky in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben hat, noch gar nicht aufhört. Die beiden Werke von Marc-André Dalbavie an diesem Mittwochabend stammten doch tatsächlich aus dem 21. Jahrhundert...

Von Reinhard Kriechbaum

Aber macht nichts, Pasticcio-Programme sind auch fein, wenn das „Klangforum Wien“ da ist. Da sind auch Debussys Deux Danses für Harfe und Streichorchester so recht klangsinnliches Material. Freilich: Ein solch betörend-kulinarisches Werk als Beispiel für Musik unserer Tage vorzuführen, drängt sich nicht auf. Auch Strawinskys Concertino für zwölf Instrumente und das berühmte Oktett für Bläser geht nicht so ohne weiteres durch in einem Konzert, in dem eigentlich Marc-André Dalbavie das Thema wäre.

Ja schon, man kann es irgendwie hinbiegen: Debussy war Ahnvater der französischen „Spektralisten“ – Komponisten, die das Oberton-Spektrum der Instrumente genau analysierten und durch erfindungsreiche Neuzusammenstellungen neuartige Klänge konstruieren. Marc-André Dalbavie, dessen Oper „Charlotte Salomon“ dieser Tage uraufgeführt wird bei den Festspielen, ist einer von ihnen. Ihm geht es unterdessen aber weniger ums Klang-Malen als ums Umfärbeln: „Palimpseste“ heißt eines der Werke, die am Mittwoch (30.7.) in der Kollegienkirche zu hören waren – Material eines Renaissance-Madrigals von Gesualdo wird verwandelt, überdeckt, dringt in den Streichern da und dort vernehmbar an die Oberfläche. Ein reizvolles Vexierspiel. In „Melodia“ geht es Melodien aus der Gregorianik, wobei das „Dies irae“ in der jüngst uraufgeführten Oper deutlicher durchklingt als hier. Allemal: Sinnlich erdachte Musik, die sich im Raum der Kollegienkirche wunderbar ausnimmt.

Das taten insbesonder die „Winter Fragments“ von Tristan Murail. Er ist eine halbe Generation älter als Dalbavie und gehört zum „harten Kern“ der französischen Spektralisten. Zu den fünf Spielern kommt in diesem fulminanten Stück Live-Elektronik in dem Sinn, als 225 Klänge – vorab aufgenommene Bausteine quasi – von einem am Synthesizer sitzenden Musiker eingeflochten werden. Das kleine Wunder ist, dass das vorab kompilierte Klangmaterial und die Beiträge der Instrumentalisten so perfekt ineinander greifen, dass man die Tonquelle oft gar nicht eindeutig ausmacht. Saite, Luftsäule oder Lautsprecher?

Das ist Musik, die Lufthoheit ergreift in der Kollegienkirche. Von Debussys Deux Danses konnte man das so nicht sagen. Schon von der siebenten Reihe aus hat man die Harfensolistin Virginie Tarrête eher nur beobachten können bei ihrem fingerfertigen Tun. Aber es war wohl gut, was sie tat – so wie das, was der israelische Dirigent Ilan Volkov, der an dem Abend bei den Festspielen debütierte, mit dem Klangforum Wien in Sachen Strawinsky gemacht hat: Aber das Oktett, eines der Ur-Stücke des Neoklassizismus in der Musik, gehört – akustisch – nun wirklich nicht in diesen Raum.

Hörfunkübertragung am 6. August um 19.30 Uhr in Ö1
Bild: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli

 

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