asdf
 

Scharfsinnig und klangsinnlich

FESTSPIELE / HAITINK

30/07/14 Anton Bruckner hat seine „Fünfte“ aufgebaut, wie einen Thriller. Und Bernhard Haitink setzte diesen Thriller am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks am Dienstag (29.7.) im Großen Festspielhaus mit Suspense in Szene.

Heidemarie Klabacher

Mit großer Geste entrollt er die Partitur wie auf einer überdimensionalen Pinwand und macht seinem Publikum die komplexen Strukturen von Bruckners „Fünfter“ anschaulich: Bernhard Haitink am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks hielt im Großen Festspielhaus vor 2200 gespannt lauschenden Zuhörerinnen und Zuhörern eine klingende Tonsatz- und Kontrapunktstunde, wie sie erhellender und spannender nicht hätte sein können.

Die Sätze der Symphonie Nr. 5 B-Dur von Anton Bruckner sind eng miteinander verzahnt. Über das Streicherpizzicato, sanft schreitend im Adagio und bockig im Scherzo, sind etwa die Binnensätze mit einander verwandt, über die jeweils nur leicht variierten Einleitungs- und Schluss-Takte die Introduktion und das Finale. Abhandlungen über die kontrapunktische Raffinesse des Finales oder Analysen der Eigenzitate füllen Regalmeter in Musikwissenschaftlichen Bibliotheken.

Der 85jährige Dirigent schien diese Verbindungslinien nicht nur farbig und präzsie nachzeichnen, sondern jeden Einzelnen geradezu ermächtigen zu wollen, das selber zu tun.

Allein der Beginn! Der sanfte Streichergesang über dem kaum hörbaren Pizzicato der Kontrabässe. Der wild auffahrende Tutti-Akkord, der mit einer Bläserfanfare um die Aufmerksamkeit buhlt. Das bewegte Streichermotiv, das ebenfalls im Auffuhr mündet: Sie alle wurden von Haitink als Nebenfiguren farbenreich gestaltet und vorausgeschickt. Bis sich die Hauptfiguren hören und blicken ließen, um sich ihrerseits rasch wieder zurückzuziehen die Überfülle der Motive und Themen.

Ihre mitreißende Spannung gewann diese Interpretation gerade aus dieser Zurückhaltung: Selbst die effektvoll aufgebauten Crescendi verklangen mit der Verheißung, dass die Kraftreserven des fulminanten Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Im monumentalen Schluss-Satz enthielt die pädagogisch vorbildliche Anschaulichkeit wohl eine Spur Kopflastigkeit: Fast ein wenig pointilistisch kleinkrämerisch wurden die wiederkehrenden Themen und jeweiligen Verarbeitungen auseinandergeklaubt und aneinandergereiht - bis Bernhard Haitink den spitzen Bleistift des Analytikers wieder beiseite legte. Der Gipfelsturm im Finale wird in Erinnerung bleiben.

Bilder: Askonas Holt (1); SF/Silvia Lelli (1)

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014