Auftritt mit Allah
FESTSPIELE / SUFI-GESÄNGE 2
25/07/14 Die zweite Nacht der Gemeinschaft unter Sheikh Salem Algazouly am Donnerstag (24.7.) war ähnlich angelegt wie die erste am Sonntag, diesmal aber mit einem Gast aus dem Gastgeberland, Frank Stadler. Das brachte in diesem Projekt der Öffnung und der Begegnung im Geist und mit dem Respekt des Herzens eine schöne west-östliche Symbiose.
Von Erhard Petzel
Der Öffner der Herzen für die Liebe wird zunächst vokal beschworen, bis die Instrumente ausgepackt werden und Lebenslust in durchgehenden Rhythmen Klang wird. Darauf fügt sich die Chaconne aus Bachs zweiter Partita ganz harmonisch, finden sich Gemeinsamkeiten in der Struktur des Stückes mit der arabischen Musik. Selbst die polyphone Virtuosität firmiert nicht als Kontrast, denkt man an die kunstvollen Umspielungen von Melodien durch arabische Virtuosen.
Als solcher darf sich Stadler im Folgestück mit dem Ensemble bewegen. Vor dem Schlusslied wiederholt sich das zunächst in einem Maqam, den Stadler intoniert, begleitet von den arabischen Kollegen und im Call und Response vor allem mit Oud, gespielt von Amro Ahmed Hassan Mohamed, und Abdalla Amro Ahmed Badawy auf der Nay. Der hernach gewählte Bach-Satz sticht mit seinem Sarabanden-Rhythmus und der virtuosen Geste etwas heraus.
Die Gliederung durch den strategisch gut platzierten Einsatz des österreichischen Geigers unterstützt den dramaturgisch sinnstiftend entwickelten Ablauf zu einem für das Publikum gut aufzunehmenden Konzert. Nicht einmal Wasserflaschen stehen bereit, was durchaus schade ist. Wenn der Sheikh sich zum Schlussapplaus mit Stadler verbeugt, macht er das anschließend auch mit seinen eigenen Solisten. So sympathisch er dabei vorgeht, damit ist der Orden aber auch im Konzertwesen angekommen.
Wie es hieß, fand dieses Konzert in einer speziellen Nacht „der Bestimmung und des Schicksals“ statt, mit großen Veränderungen als mögliche Folge. So sieht das der Sufi-Orden. Sehen wir diesen Auftritt also nicht als Konzert, könnte Al-Tariqa Al-Gazoulia tatsächlich das auslösen, was man vermitteln wollte. Stellen wir uns vor, im nächsten Jahr weist die Festspielleitung im Rahmen der Ouverture spirituelle ein Mitmach-Konzert aus. Aus dem Konzert wird selbstverständlich Gottesdienst, auch für Atheisten, da sie das Göttliche in sich mystisch wahrnehmen.
Viele Elemente der Rituale dieses Sufi-Ordens ermöglichen einen solchen Ansatz: Ostinate Strukturen über Atmen, Phrasen, Rhythmen, Bewegen, die so elementar sind, dass die angeregten Spiegelneuronen erfassen, worum es geht, und Körper und Geist in die Seele der Gemeinschaft eintauchen lassen. Immer wieder einmal solche Phasen, in denen den Menschen Zeit gegeben wird, mitzugehen. Dazwischen und darüber die Kunst der Könner.
Welcher Triumph der Kunst, wenn von den Festspielen eine Erneuerung der westlichen Spiritualität ausginge, die in unsere Kirchen ausstrahlte. Welche großartige Wendung der Geschichte, wenn das von einem arabischen Orden angeregt wäre und in dessen heute so verwundete Welt zurückstrahlte. „Meine Seele ist aus den Fesseln befreit. Jetzt erkenne ich, dass sie meine Liebe und meine Geliebte ist.“ Amen.