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Kolossales Gemälde

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / NÉZET-SÉGUIN

30/08/24 Es war ein rauschendes finales Festspielkonzert der Wiener Philharmonikern unter Yannick Nézet-Séguin mit der Symphonie fantastique von Berlioz und Beethovens erstem Klavierkonzert mit dem Solisten Daniil Trifonov.

Von Erhard Petzel

Die reinen klassischen Konzerte haben nach wie vor ihre Berechtigung, wenn sie auf höchstem Niveau stattfinden und dadurch aus der Genialität der Werke immerwährende Spannung zu ziehen vermögen. So geschehen einmal mehr am Donnerstag (29.8.) im Großen Festspielhaus. Beethoven ist 1795 noch nicht der musikalische Spießbürgerschreck, in Sinfonie und Spätwerk, der uns heute so beeindruckt. Aber sein Klavierkonzert C-Dur op. 15, kompositorisch eigentlich Nummer 3 in der Chronologie, gefällt in seiner Klassizität durch ausgewogene Eleganz. Übernimmt dann ein Könner wie Trifonov den Klavierpart, ist Genussbürgertum gesichert.

Nach altem Brauch eröffnen die Wiener die Exposition und reizen ihren diffizilen Orchesterklang mit delikatem Blech und Holz weidlich aus. Zur himmlischen Harmonie verschmilzt es dann im Wechselspiel mit den elegant perlenden Klavierkaskaden. Dieses Muster zieht sich in die Durchführung, wobei das sich verflüchtigende Durchweben von Holz und Klavier zur Kostbarkeit angerichtet wird, bis es in die Reprise rauscht. In den Zwischenspielen bockt das Klavier energisch auf und rein in die geschmackvolle Kadenz. Singend eröffnet es das Largo. Das Orchester setzt dem Gleichheitsgrundsatz entsprechend nach. Im lyrischen Wechselspiel strahlt das partnerschaftliche Holz. Nachdem sich da die Klarinette ergreifend hervorgetan hat, führen die Geigen im noblen Pizzicato zum ausgehauchten Schluss.

Fast ordinär gerät dem Orchester das burschikose Rondothema. Hier werden die Facetten delikaten Zusammenspiels mit dem Solisten bis zur gegenseitigen Neckerei ausführlich ausgereizt. Zauberhaft die Verzögerungen ins finale Rubato. Zugabe Marke Trifonov natürlich nach Begeisterungssturm selbstredend.

Nach diesem feinnervigen Harmonieren in einem Konzert stellte sich das Orchester der Nuancen reichen Partitur von Hector Berlioz´ programmatischer Symphonie fantastique op. 14 von 1830. Ein Werk des grundlegenden Kanons und auch ein Begriff dort, wo man sonst mit diesem autarken französischen Genie romantischen Zuschnitts nicht weiter vertraut ist. Berlioz komponiert nicht in dem gleichen Sinn wie seine Kollegen, er entwirft kolossale Gemälde auf die Partiturseiten. Die sind voll Originalität und ausladender Gestik und sprengen die Konventionen seiner Zeit. Wer da an Intensität bei der Verwirklichung spart, verantwortet gleich einmal auch banale Abgeschmacktheit.

Kein Thema bei Nézet-Séguin.

Er dirigiert auswendig. Und das ist keine Frage von Inszenierung, sondern hör- und erlebbare Notwendigkeit. So hat er die Freiheit, derer es bedarf, auch thematisch simple Strukturen mit Suggestion und Nachdruck zu der Wirkung zu entfalten, die für das Erfassen dieser Klangwelten unverzichtbar ist. Das Programm der fünf Sätze wird zur Struktur, ein wunderbares Erlebnis. Präzise, euphorisch und sichere Impulse setzend führt er die entzündeten Wiener zu wunderbar lyrischen Szenen wie heroisch mächtigen Klangkaskaden. Mit träumerischer Atmung hebt das Werk an und gelangt zu sehnlicher Bewegung, die ihr Ziel im Thema der Geliebten findet und straff bis zum Jubelsturm sich aufrafft. Stimmungsschwankungen verwirklichen auch ein vielfältiges und abwechslungsreiches Klangbild.

Wunderbar der raffinierte Walzer am Ball oder die Einzigartigkeit der bukolischen Ideen im Adagio, wo sich das Englischhorn exponiert. Da spult der Film zu den Ausformungen leidenschaftlicher Beziehungsentwicklung auf der Landpartie automatisch ab. Hier ganz besonders herausgearbeitet die Großartigkeit des Marsches mit seiner Fülle an gewitzten Feinheiten. Und dass der Sabbat nicht nur ein kolossaler Hexenkessel ist, sondern durch herrliche polyphone Arbeit glänzt, kommt dann herrlich zum Tragen, wenn Aufmerksamkeit und Genauigkeit selbstverständlich sind. Und natürlich kommt Berlioz’ klanglicher Erfindergeist in seiner Fülle kongenial zur Geltung, sei es delikates Spiel und Mischung der Register, sei es in den damals verblüffenden spieltechnischen Effekten. Die Begeisterung im Publikum kam fast an die mitreißende Perfektion der Ausführung heran.

Bild: SFS / Marco Borrelli
 

 

 

 

 

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