Idyll mit Blitz und Donner
FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / DUDAMEL
25/08/24 Wie sich das Sonnenlicht nur mit Mühe aus tiefschwarzer bleischwerer Dunkelheit befreien und dann umso strahlender triumphieren konnte! Das ließ hören, wie radikal Strauss' Orchestersatz ist. Dann zwitscherten ordnungsgemäß die Vögel, plätscherte der Bach, entfaltete sich Alm- und WiesenIdyll in Flöten-Call und Horn-Response.
Von Heidemarie Klabacher
Gustavo Dudamel leitete das vorletzte Festspielkonzert der Wiener Philharmoniker im Großen Festspielhaus. Auf dem Programm standen Vier letzte Lieder und Eine Alpensinfonie.
Nach idyllischer Wald- und Almwanderung stellt starrender Fels sich den Wanderern effektvoll in den Weg. Aber nicht nur. Tatsächlich wurde unter Dudamel so manche Weg- zur Durststrecke. Schon während der Wanderung neben dem Bache wünschte man sich einen Tempo-Macher, über der Baumgrenze dann einen erfahreneren Bergführer. Zu häufiges Stehenbleiben, um sich an Panorama, Wasservorrat oder eigenem Wohllaut zu laben, nimmt der Truppe den langen Atem, verstellt den Blick auf das Ziel. In Gewitter und Sturm ergötzten das Pfeiffen der Windmaschine und das Grollen des Donnerbleches. Immer erhebend und bewegend, der Orgelklang aus der Dorfkirche, der die Wanderer empfängt und in die Apotheose der Nacht müdet. Jubel mit Donner und Blitz!
Asmik Grigorian war als Solistin für die Vier letzten Lieder engangiert – und sang diese als reine, wenn auch traumhaft schön gesungene Vokalise. Textbilanz: Aus dem zweiten Lied, September, ist das Wort „still“ angekommen, aus dem vierten Lied, Im Abendrot, eine ganze Zeile „bald ist es Schlafenszeit“. Zwei Schlüsselphrasen, die abgesehen vom euphorischen Frühling, ohnehin die Stimmung des Zyklus umreißen? Fast. Es fehlt etwas, wenn Lieder ganz ohne Worte daherkommen.
Dirigent oder Orchester konnten nichts für die mangelnde Textverständlichkeit. Die Wiener Philharmoniker sind bei Richard Strauss ohnehin daheim (auch ohne Thielemann). Unter Gustavo Dudamel war der Sound so klangvoll und samtig wie möglich, aber auch so delikat und transparent wie nötig, um der Stimme Luft und Raum zu geben. Jedes noch so strahlende Aufblühen, sei es von Horn oder Solovioline oder des gesamten Riesenapparates, war kontrolliert aufgebaut, jedes Sich-Zurücknehmen im Aufschwung schon mitgedacht. Es gibt die Sängerinnen, die diese vollendet musizierte Orchesterbasis hätten nützen können, um auch ein wenig Text abzuladen. Asmik Grigorian beließ es bei Sopran-Glanz. Natürlich trotzdem Jubel.
Bilder: SFS / Marco Borrelli