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Gebannte Schleuderkräfte

FESTSPIELE / BELCEA QUARTET

20/08/24 Was einem durch den Kopf gehen konnte im Kammerkonzert mit dem Belcea Quartet am Montag (19.8.) im Großen Saal des Mozarteums: wie sich im Konzertprogramm der Festspiele, auch im Querschnitt unterschiedlicher Programmschienen, Gemeinsamkeiten auftun und Erhellendes zutage tritt. Zufallstreffer oder gezielt planende Hände im Hintergrund?

Von Reinhard Kriechbaum

Da hat sich also in der Vorwoche erst András Schiff in einem Solistenkonzert dem Spannungsfeld zwischen Fantasie und Form (Sonate) gewidmet und zwei Tage darauf als „Vorspann“ zu einem Liederabend mit Schuberts Fantasie-Sonate einen weiteren erhellenden Beitrag zum Thema nachgeschossen. Und nun, wieder im Zwei-Tages-Abstand, das Belcea Quartet mit Schönbergs Streichquartett Nr. 1 d-Moll op. 7 und Beethovens Quartett cis-Moll op. 131. Auch das sind solitäre Werke, in denen ihre Schöpfer Ausdrucksmöglichkeiten ausreizten und Form-Konventionen weit hinter sich ließen (oder eben auch sehr bewusst bewahrten). „Quasi und Fantasia“ also erst auf dem Klavier und nun auf sechzehn gestrichenen Saiten...

Was einem ebenfalls durch den Kopf gehen durfte an dem Abend: Von wem wollte man dieses fordernde Schönberg/Beethoven-Programm heutzutage überhaupt hören? Es reichen die Finger einer Hand – vom Belcea Quartet unbedingt. Der dreißigjährige Schönberg tastete noch nach expressionistischer Auf- und Ausreizung. Bis zur Zwölftönigkeit, ja auch nur zur Befreiung vom Dur/Moll-System hatte er noch einige Schritte vor sich. Nicht zufällig erinnern gleich die Anfangstakte sehr an die Verklärte Nacht (die man im Festspiel-Zyklus Zeit mit Schönberg heuer ja auch schon hören durfte). Ein literarisches Programm – einzelne eher kryptische Stichworte von Schönberg sind in Skizzen erhalten – drängt sich geradezu auf, wenn sich Corina Belcea und Suyeon Kang (Violinen), Krzysztof Chorzelski (Viola) und Antoine Lederlin (Violoncello) einlassen auf dieses Werk, in dem sich das extrem kompakt, aufrührerisch geführte Stimmengewebe des Beginns eigentlich in einem kontinuierlichen Aufhellungsprozess befindet.

Eine sehr simplifizierende Beschreibung, zugegeben. Jedenfalls kommen im zweiten Satz plötzlich ganz „unkomplitzierte“, ja volkstümliche Tanzmuster hinein. Im dritten Satz zeigen die feinen Soli, der Geigen zuerst, besonders nachdrücklich auch jenes der Bratsche, wie schwer Schönberg der Abschied von der Tradition gefallen ist. Genau dies hat das Belcea Quartet aufs Schönste gezeigt, ohne deswegen die größeren und kleineren, latent zündungsgefährdeten Sprengsätze in dieser Komposition zu ignorieren. Nein, keine Revolution mit Feuer und Flamme derweil: Schönbergs Opus sieben klingt „mäßig, heiter“ aus mit einem wunderschönen Schwelgen in Erinnerungen und Reminiszenzen.

Ein Sprung achtzig Jahre zurück, in Beethovens Endzeit: So experimentell das cis-Moll-Quartett mit seinen sieben ineinander übergehenden Abschnitten daher kommt, spiegelt es doch auch so etwas wie Respekt vor der immer noch maßgebenden Form. Fuge und Variation, Scherzo-Leichtigkeit... mit all dem spielte Beethoven da ein letztes Mal. Fulminant die Präzision, wie das Belcea Quartet energische Pizzicati und kleine Motive lustvoll, keck, rotzfrech gar von Pult zu Pult schleudert – da hätte man manchmal hell auflachen wollen. Das könnte man nun bis zum Finale beschreiben, in dem das Ensemble das Motivspiel auf hohem Temperamentspegel, aber nie peitschend, sondern raffiniert auffächernd vermittelte.

Die Zugabe kam nach diesen beiden erratischen Quartett-Blöcken eigentlich unerwartet: eine feine, leise, klangsinnliche Kostprobe von Benjamin Britten. Das Ensemble hat dessen drei Streichquartette dankenswerter Weise eingespielt. Eine Schande, diese Quartette nicht zu kennen, hieß es in einer Kritik darüber in der Süddeutschen Zeitung. Wie wahr.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

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