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Wo überall man reizvolle Melodien findet

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / MUTI

16/08/24 Gute Christenmenschen mögen zu Ferragosto der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel gedenken – fürs Festspielpublikum ist es jedes Jahr die obligate Huldigung an Riccardo Mutis leibhaftige Aufnahme in den Festspiel-Parnass. Ein unveränderbares Dogma das eine wie das andere.

Von Reinhard Kriechbaum

Und wenn, wie heuer fast unumgänglich im Gedenkjahr, zu dem Anlass auch noch eine Bruckner-Symphonie zelebriert wird, die Achte gar! Aber gedenken wir zuvor noch des Umstands, dass im Musikerhimmel ja auch andere Leute umgehen. Eine solche coelestable Zukunft blüht gewiss zwei altgedienten Wiener Philharmonikern. Nach der Bruckner-Konzelebration mit den Philis – Muti kommt nicht aus mit den für die Achte theoretisch vorgesehenen 88 Minuten, er hat Zeit und das ist sehr gut so – hat sich der großväterliche Meister in die hinteren Reihen begeben und zwei Bläsern herzlichst die Hände geschüttelt: Der Solofagottist Stepan Turnovsky und der Trompeter Reinhold Ambros verabschieden sich mit der Konzert-Trias an diesem Wochenende in den philharmonischen Ruhestand. Ja, die Bläser in diesem Konzert! Das hat begonnen mit dem den Bratschen- und Celli-Sound so wundersam überwölbenden Klarinettensolo.

Riccardo Muti ist ja immer auf der Suche nach der Melodie, und gerade in Bruckners Symphonie Nr. 8 c-Moll WAB 108, uraufgeführt 1892 von den Wiener Philharmonikern und damit sozusagen zur genetischen DNA dieses Orchesters rechnend, finden er und die Seinen viel mehr und anderswo eben das Melodische schlechthin. Vor allem in den Noten der Holzbläser. Im ersten Satz vor allem bei den Solobläsern. Oboe und Klarinette über dem Tuben-Gemurmel, später die Solooboe, dann Soloflöte und Oboe und so weiter. All diese Episoden, die jeweils in Blech-Steigerungen münden, die aber zu dieser Mittagsstunde nie in unkontrollierte Orgien ausarteten, sondern von Muti sorgsam zurückgenommen wirkten, wurden so recht ausgekostet und vor allem detailliert ausgeleuchtet.

Die Musiker wussten um den kostbaren Moment – schließlich war es für den 83jährigen Riccardo Muti das späte „Debüt“ mit der Achten. Es wurde schließlich eine geglückte Symbiose zwischen jenem Laissez-faire, für das nicht zuletzt das Orchester Muti so sehr schätzt, und dem aktiven Wollen deas Dirigenten, das ihm die streichenden und blasenden Kolleginnen und Kollegen quasi von den Augen abgelesen haben.Da waren ganz wenige Gesten nötig. So langsam, immer wieder zurückhaltend die Tempi waren: Muti wirkte nicht wie ein Prediger, sondern eher wie ein Forscher, der mit aufmerksamem Delegieren – eben besonders an die Bläser – auf eine gründliche Durchleuchtung hinzielte. Selten so viele melodiöse Einzelheiten gehört, und in solchem philharmonischem Edelklang sowieso nicht.

Eine eher leise Lesart in allen Sätzen, und das ging bis zu den sorgsam dosierten, aber eben auch so viel Energie spendenden Beiträgen der Pauke, für die Thomas Lechner am Ende sogar Bravo-Rufe erntete. Solche kriegt ein Schlagzeuger nicht jeden Tag. Schließlich folgerichtig: Keine Deutung des Finales, bei dem einem das Blech Schauer über den Rücken hätte laufen lassen, dafür auch hier eine Fülle an, ja, liebenswerten Einzelheiten. Fast kann man sagen: skrupulös, wie Muti das Grande Finale ansteuern ließ. Die Bläser auch da gar nicht knallig, sondern eher wie ein stehender Orgelklang mit allen gezogenen Registern.

Jubel ohne auch nur eine Sekunde des Durchatmens. So ist das eben nach einem Muti-Konzert am 15. August.

Das Konzert wurde von Ö1 live übertragen, dort kann man es nachhören
Bild: SF / Marco Borrelli
Zum dpk-Text über Muti und die Wiener Philharmoniker
Musizierende Lebensmenschen

 

 

 

 

 

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