Vier Opern an einem Abend
HINTERGRUND / FESTSPIELE / LES CONTES D'HOFFMANN
12/08/24 1982 und 2003 standen Jacques Offenbachs Les Contes d´Hoffmann auf dem Festspielprogramm. Heuer inszeniert Regisseurin Mariame Clément die Oper. Am Pult der Wiener Philharmoniker debutiert Marc Minkowski.
„Die Herausforderung besteht darin, dass es viele Höhepunkte gibt, die Erzählweise aber sehr verschachtelt ist. Neben der Rahmenhandlung gibt es drei Stücke im Stück – man hat quasi vier Opern an einem Abend.“ Es sei daher wichtig, so Mariame Clément über die Komplexität des Stücks „einen roten Faden zu finden und gleichzeitig an der Figur dranzubleiben“. Die Titelfigur sei „omnipräsent“, sei Teilnehmer und Beobachter in einer Person. „Wichtig für uns war, Empathie und Mitgefühl für ihn als Charakter zu kreieren“, so die Regisseurin. „Er umarmt als Komponist Publikum wie Interpreten gleichermaßen“, sagt Marc Minkowski, der viele Werke Offenbachs dirigiert hat über den Komponisten.
Ohne Figuren zu verdoppeln, verdrei- oder zu vervielfachen, geht es „heutzutage“ ja nicht. Beim Hoffmann drängt es sich mehr auf, als bei anderen Werken. Gleich zwei Figuren werden auf „mehrfachen Ebenen dargestellt“. In der Neuinszenierung singt eine Sängerin die Rollen Olympia, Antonia und Giulietta und verkörpert auch die liebende Stella. „Die Entscheidung für eine einzige Darstellerin haben wir gemeinsam getroffen. Kathryn Lewek macht das hervorragend.“ Die Frauenfiguren sind eine große Herausforderung, so die Regisseurin. Die Perspektive sei die Hoffmanns. ER erzählt. Die Frauenrollen seien lediglich darauf beruhende Projektionen. „Vor diesem Hintergrund einen Perspektivwechsel aus Sicht der Frauenfiguren zu schaffen, war uns ein Anliegen.“
Kathryn Lewek ist ein dramatischer Koloratursopran: „Ursprünglich hat Offenbach die Rolle der Stella für dramatischen Sopran und die des Hoffmann für Bariton geschrieben. Erst nachträglich wurde aus Stella ein Koloratursopran und aus Hoffmann ein Tenor. Für die heutige Stella braucht man eine flexible Stimme, die sich in der Höhe wohlfühlt und die die Arien in der Originaltonart singen kann. Sie braucht außerdem eine Mischung aus Virtuosität, Belcanto-Gefühl und dramatischer Durchschlagskraft. Sie muss in der Lage sein, ein Koloraturfeuerwerk zu zünden und muss die Vokale und Konsonanten in den Orchesterrezitativen gut artikulieren können.“
Die zweite große Vierfachrolle der Oper ist Lindorf mit seinen Pendants in den drei Erzählungen. Wer sind diese sogenannten Bösewichte? Man spreche vorschnell und pauschal von „Bösewichten“, also von „Verkörperungen des Teufels“, sagt die Regisseurin. „Ihre Funktionen in den drei Erzählungen sind sehr unterschiedlich. Coppélius im Olympia-Akt und Dr. Miracle im Antonia-Akt agieren eigentlich nicht direkt gegen Hoffmann, sondern vielmehr gegen Olympias 'Erfinder' Spalanzani bzw. gegen Antonia und ihren Vater Crespel.“ Hoffmann sei da nur „so so etwas wie ein Kollateralschaden. „Im Giulietta-Akt hingegen haben wir einen faustischen Pakt zwischen Giulietta und Dapertutto, dessen Ziel es ist, Hoffmann das Spiegelbild, also ie genaue Untersuchung Rollen der „Bösewichte“ habe ihr den Weg gewiesen, „wie man die einzelnen Akte inszenatorisch unterschiedlich erzählen kann“, sagt Mariame Clément.
In der Figur des Hoffmann vermischen sich unterschiedliche Ebenen und Geschichten, die für sich genommen nichts miteinander zu tun haben, sagt Mariame Clément. „Wir lösen diese Diskrepanz durch die Betonung der Tatsache, dass künstlerisches Leben und Werk zwingend miteinander verwoben sind. Die einzelnen Akte sind bei uns weder bloße Erzählung noch reine Biografie.“
Über die Rezitative als Stilmittel der Erzählweise sagt Minkowski: „Ursprünglich waren es gesprochene Dialoge. Das war damals, als das Werk an der Pariser Opéra Comique aufgeführt wurde, noch die Regel. In der posthumen Ergänzung des unvollendeten Stücks wurde dann aber ganz im Geist der schon damals erfolgreicheren romantischen Opern zu orchesterbegleiteten Rezitativen übergegangen. Das erlaubt auch eine einheitlichere Ausgestaltung durch nicht französischsprachige Sänger.“
Mariame Clément berührt am Hoffmann, „dass Offenbach entgegen seinem Ruf als unterhaltender Operettenkomponist hier seine ganze Seele hineinkomponiert hat“. Bei aller Tragik gebe es im Hoffmann auch lustige Momente, eine ironische Distanz zur Titelfigur. „Die Mischung aus Tragik und Komik ist wie das Leben selbst. Im Spannungsfeld zwischen Komödie und Tragik liegt aber auch eine große Fallhöhe.“ Am Ende dieser Inszenierung verstehe der Titelheld, „dass er zurück in der Realität angekommen ist und dass das Durchleben von Leid ein Weg sein kann, die eigene Existenz zu bewältigen“. In seiner Arbeit mit den Wiener Philharmonikern führe er eine Art musikalisches Doppelleben zwischen seiner Erfahrung als Originalklangspezialist mit eigenen Ensemble und als Gastdirigent anderer Orchester, so Minkowski: „Wir finden einen gemeinsamen Weg aus unterschiedlichen Dynamiken und Stilrichtungen, wir probieren Dinge aus und finden einen Kompromiss zwischen einem vollen, reichen Klang und einer Art klanglicher Akupunktur.“ (SFS / dpk-klaba)
Les Contes d´Hoffmann – Premiere im Großen Festspielhaus ist am Dienstag (13.8.) –www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS / Jan Friese