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Die Hölle ist das eigene Herz

FESTSPIELE / DON GIOVANNI / NEUEINSTUDIERUNG

29/07/24 Das Klavier kracht vom Schnürboden. Auch die Baskettbälle und Äpfel rollen. Die Kirche wird leer geräumt. Die Ziege kommt vorbei... Natürlich lässt sich nach drei Jahren nicht mehr genau festmachen, wo im Detail die Produktion nachgeschärft wurde. Romeo Castelluccis Konzept trägt jedenfalls noch immer. Die Interpretation von Teodor Currentzis begeistert noch viel mehr. Die Vokalisten sind anzubeten.

Von Heidemarie Klabacher

Nadezhda Pavlova, die als Donna Anna schon 2021 zu Begeisterung hingerissen hat, scheint stimmlich noch souveräner geworden zu sein. Noch delikater ist ihr Traum-Sopran in den hohen, noch reicher gerundet in den mittleren Lagen. Überirdischer als ihr Pianissimo funkeln kaum die Sterne. Täuscht es, oder hat der Regisseur der Donna Anna ein Noch-Mehr an statuenhafter Unzugänglichkeit – zumindest der Oberfläche – zugemessen?

Neu im Team ist Julian Prégardien als Don Ottavio. Auch hier ist der Casting-Griff zu den Sternen gelungen: Julian Prégardie erfüllt alle Erwartungen an einen Sänger der über-anspruchsvollen Partie. Seine wahrlich exponierten hohen Töne fließen selbstverständlich, mit Strahlkraft und Leichtigkeit, in den Linien. Darf man göttlich sagen? Göttlich!

Dass der ehrlichste Charakter in der Oper von der Regie zum Deschek gemacht wird, nimmt man beim Wiedersehen leichter hin, einfach weil der Überraschungseffekt wegfällt. Die naiven Selbstdarstellugs-Versuche rühren inzwischen mehr, als dass sie befremden. Don Ottavio kann ja wirklich nichts tun, um neben Don Giovanni vor den Augen einer Frau Gnade zu finden. Da kann er sich gleich zum Idioten machen. Ungerecht das. Durch die gefühlt noch stärker betonte Tragödinnen-Pose der Donna Anna nimmt man ihr ihre Undankbarkeit gegenüber dem Treuen weniger übel. Davide Luciano gibt wieder den zunächst fast kindlich übermütigen, begeisterungsfähigen und stimmlich wie darstellerisch hervorragenden Don Giovanni. Neu an seiner Seite steckt Kyle Ketelsen als Leporello die Schläge für seinen Herren ein. Die beiden Sänger sind einander stimmlich ebenbürtig, durch den darstellerisch wie stimmlich geschmeidigen „Neuen“ wirken Don Giovanni und Leporello noch stärker als zwei Seiten einer Medaille.

Ebenfalls wiedergekommen ist Federica Lombardi – mit noch mehr darstellerischer Ruhe und stimmlicher Größe für die Partie der Donna Elvira. Neu engagiert und wie aus dem stimmlichen und darstellerischen (und optischen) Musterbuch gecastet sind Ruben Drole als Masetto und die betörende Anna El-Khashem als Zerlina.

Die großen Szenen der 150 Frauen und Mädchen allen Alters in der Choreografie von Cindy Van Acker bestechen unverändert in ihrer rein szenischen optischen Qualität. Und sie überzeugen in ihrer „geometrischen“ Strenge als Gegenbild zum chaotischen Treiben des Don Givoann noch um vieles mehr. Viel deutlicher ist geworden, dass am Ende die Worte des Commendatore (grandios klangvoll fügt sich Dmitry Ulyanov neu ins Team) aus dem Munde Don Giovannis zu kommen scheinen. Schizophrener Anfall, Zerstörung durch das Gift aus den Abgründen der eigenen Persönlichkeit. Sehr plausibel.

Neben den „Alten“ und „Neuen“ auf der Bühne, die gemeinsam wahre Glanzlichter zünden, sorgte Teodor Currentzis am Pult des Utopia Orchestra für einen wahren Begeisterungssturm. Ein wenig „solider“ wirkt der heurige Zugang, wobei Currentzis in seinen Tempi ohnehin keinen Hang zum Extremen aufweist. Gradlinig, mit stupender Virtuosität, schnörkellos, entfalteten Currentzis und die Seinen noch die feinsten Verästelungen der Partitur. Eine Hand dabei quasi immer am Puls der Figuren und ihrer Darsteller. Wie viele Verzierungsnoten allein Donna Anna und Donn Ottavio in ihren Melodien mit größter Ruhe unterbrachten. Wie beängstigend dagegen – ohne dass Currentzis auf oberflächlichen Effekte gesetzt hätte – die dramatsichen Stellen. Üüberwältigend! Am Schluss wünschte man sich mehr Stimmkraft, um mehr zum Jubel beizutragen.

Don Giovanni – weitere Auffühungen bis 19. August im Großen Festspielhaus – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS / Monika Rittershaus
Zur dpk-Besprechung aus 2021
In der Hölle ist es weiß

 

 

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