Wären doch Herrscher bessere Schüler!
FESTSPIELE / ERÖFFNUNGSFESTAKT
26/07/24 „Manche erwarten, dass ich bei Anlässen wie diesen ordentlich austeile. Aber wissen Sie was? Es wird schon genug geschimpft.“ So Bundespräsident Alexander van der Bellen bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele heute Freitag (26.7.) in der Felsenreitschule. Statt dessen samtweich: „Die Zukunft ist für uns ein schöner Ort. Weil wir so viel mitbringen.“ Die Festrede zur Eröffnung hielt Nina Chruschtschowa, Enkelin des ehemaligen russischen Staatspräsidenten.
„Wir glauben daran, dass Oper, Konzert und Theater nicht nur für das Gestern, sondern auch für das Heute und Morgen stehen. Dass Kunst nicht nur ein sinnliches Vergnügen, sondern auch eine Möglichkeit ist, komplexe Realitäten zu hinterfragen und sich den ungelösten Spannungsfeldern zu stellen“, sagte Festspielpräsidentin Kristina Hammer zur Begrüßung.
„Die Salzburger Festspiele bringen das Ringen zwischen Engeln und Dämonen in uns auf die Bühne“, hielt Landeshauptmann Wilfried Haslauer in seinen Grußworten fest und warnte: „In Zeiten von Kriegen,Inflation, rasender technologischer Entwicklung, gesellschaftlicher Änderungen, medialer Umwälzungen, kultureller Verwerfungen wächst die Sehnsucht nach Ordnung und Sicherheit, nach einem Leben, wie es früher einmal war. Die Schattenseiten der Vergangenheit werden ausgeblendet.“ Diesen Dämonen setzte Haslauer die „Engel des Alltags“ unter uns entgegen, „wenig beachtet und für selbstverständlich genommen: die schweigende Mehrheit all jener, die Beispiel geben, an sich und unser Land glauben und es tagtäglich am Laufen halten“, so der Landeshauptmann.
Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler spannte in seinen Grußworten einen Bogen vom Krieg in der Ukraine, der auch für mehr als 100.000 Geflüchtete in Moldawien gesorgt hat, über die Klimakrise – sie „zuzulassen oder gar zu negieren, bedeutet für uns alle einen Verlust an Sicherheit und führt letztlich zu einer Bedrohung unserer Freiheit“ – bis hin zur Rolle der Kunst bei gesellschaftlichen Veränderungen. „Es muss auch heute die Aufgabe von uns sein, für die Freiheit der Kunst gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Denn unser Land und Europa werden auch in Zukunft im besten Sinne kritische, verbindende und mutige Kunst brauchen“, so Kogler.
Festspielrednerin Nina Chruschtschowa, Professorin für Internationale Beziehungen und Komparatistik in New York, ging auf Idealismus in Zeiten von Krieg und Frieden ein. Kunst ist idealistisch, indem sie das Beste in uns zum Vorschein bringt. Sie ist „das, was von uns bleibt, wenn wir nicht mehr da sind.“ Sie könne Tyrannei und Krieg nicht verhindern, entlarve sie aber immer wieder aufs Neue. „Hätten die Machthaber im Kreml die Lektionen beachtet, die sie die Kunst über vergangene tyrannische Regime gelehrt hat, dann hätte es in Russland nicht so viele Diktaturen gegeben. Aber Herrscher sind schlechte Schüler. Sie wissen Kultur nicht zu schätzen – sonst hätten Stalin und Putin keine Meisterwerke vernichtet und nicht Künstlerinnen und Künstler inhaftiert“, sagte die Festspielrednerin.
Am Festakt nahm auch der tschechische Präsident Petr Pavel teil. Das Mozarteum-Orchester mit dem Cellisten Nicolas Altstaedt intonierte unter Elim Chan Werke von Sergej Prokofjew, Max Bruch und Alfred Schnittke. (Landeskorrespondenz)