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Trauer, Klage, Hoffnung

CAMERATA / KOPATCHINSKAJA / BR-CHOR

21/07/24 Et exspecto“, das Warten auf die zweite Erscheinung Christi, war Thema des ersten Festspiel-Konzerts in der Kollegienkirche. Zwei Gänsehaut erzeugende Stücke der Sehnsucht nach der Erlösung der Welt und eines, welches in erbaulicher Ruhe die Vision der Erfüllung ausbreitet. Es erklang Musik des 20. Jahrhunderts, für die sich der akustisch adaptierte sakrale Raum bestens eignet.

Von Gottfried Franz Kasparek

Zu Beginn betrat Krassimir Sterev mit seinem osteuropäischem Akkordeon das Podium. Das an Obertönen reiche Bajan, ein mit Stimmzungen aus Stahl gefertigtes Mittelding zwischen Knopfharmonika und Bandoneon, hat sogar einen „Luftknopf“ für spezielle Geräuscheffekte.

Eigenschaften, welche die tief gläubige Sofia Gubaidulina 1986 in ihrer Sonate für Bajan solo Et exspecto mit Phantasie und harmonischer Kunst verwendet hat. In den fünf kurzen, vom bravourösen Solisten nahezu pausenlos gespielten Sätzen taucht immer wieder ein tonaler Choral auf, der von Blasebalg-Seufzern und harten Dissonanzen gleichsam befragt wird. Nach einer Art Engelsmusik endet das Stück mit einem Seufzer, welcher in leiser Inbrunst das Ende des Wartens erfleht.

Danach betrat, schwarz gekleidet, die ansehnliche Streichergruppe der Camerata Salzburg den Altarraum, wo sie, ausgenommen natürlich die Celli, stehen blieb. Im Mittelpunkt erschien schließlich wie ein roter Blitz im Dunkel Patricia Kopatchinskaja und spielte, nein, erlebte das Concerto funebre für Violine und Streichorchester von Karl Amadeus Hartmann.

Das 1940 als Aufschrei und Klage über die Verbrechen des Faschismus in St. Gallen in der Schweiz uraufgeführte Werk ist nach wie vor und gerade in unserer Zeit wieder ein meisterhaft komponiertes Mahnmal gegen das Grauen, welches wahnhafte Ideologien und menschliches Machtstreben verursachen können. Hartmann zitierte darin das alte Hussitenlied von 1420 und den Trauermarsch der gescheiterten russischen Revolution von 1905. Die alten Gesänge werden zu instrumentalen Chiffren von zeit- und ortloser Gültigkeit. Wie auch im Stück von Gubaidulina verklammert ein Choral das komplexe, aber immer transparente und stets ergreifende Klanggeschehen. Patricia Kopatchinskaja feuerte die mitfühlende Camerata nicht bloß gestisch vehement an, sondern durchwob den sensiblen Klang der langsamen Teile mit zarter, jedoch bestimmender Innigkeit und das hämmernde Aufbegehren der schnellen Abschnitte mit ihrer typischen, metallischen Brillanz, die auch schneidend wehtun kann.

Die grandiose Interpretation wurde bejubelt, doch nach diesem instrumentalen Requiem wäre eine Zugabe eher störend gewesen. So hielt die Solistin schließlich die Partitur Hartmanns in die Höhe.

Nach der Pause durfte die Camerata sitzen, denn hinter ihr erhob sich der Chor des Bayerischen Rundfunks in seiner vokalen Kraft und Herrlichkeit. Der Chorleiter und Dirigent Peter Dijkstra arbeitete die vielen kleinen Motivketten des Orchesters und die spirituellen Panorama-Effekte des Chors in Arvo Pärts eindrucksvollem Te Deum von 1985 ebenso sorgfältig und liebevoll heraus wie die religiöse Intimität mancher Sequenzen, dabei bestens unterstützt von Max Hanft mit herzerwärmenden Glockenklängen am präparierten Klavier, der stimmungsvolle Liegetöne erzeugenden Tontechnik und einer ungenannten, ergreifend schlicht gen Himmel schwebenden Sopranstimme aus dem Chor im Finale. Bewegt und gestärkt schritt man danach in die wolkenlose Sommernacht.

Bilder: SFS / Marco Borrelli

 

 

 

 

 

 

 

 

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