Revolten - nach außen und innen
SALZBURGER FESTSPIELE 2024
06/12/23 Der revoltierende Mensch – gegen das Schicksal, gegen die Realität oder gegen sich selbst – steht im Zentrum des Opernprogramms. Ein Herzstück im Konzertprogramm ist die „Zeit mit Schönberg“. Die neue Schauspiel-Chefin bringt Namen, die in Salzburg noch nicht von sich reden gemacht haben.
Von Heidemarie Klabacher
„Die Festspiele haben ja kein Motto“, betont der Intendant, um sogleich an das Vorjahres-Motto zu erinnern. Die Zeit ist aus den Fugen hieß es 2023. „Sie können nicht behaupten, dass sich seither etwas zum Besseren gewandelt hat.“ Kriege. Armut. Bildungsnotstand... Gründe genug zum Aufbegehren. Gegen die Weltlage oder gegen das Schicksal.
Intendant Markus Hinterhäuser, Konzertchef Florian Wiegand und Schauspielchefin Marina Davydova präsentierten heute Mittwoch (6.12.) das Festspielprogramm 2024. Der Mensch in der Revolte zieht sich 2024 als verbindender Gedanke durch das Opernprogramm. Als „Revolutionäre“ sehr unterschiedlichen Charakters gelten Mozarts Don Giovanni wie Prokofjews Spieler oder Der Idiot von Mieczysław Weinberg. Les Contes d' Hoffmann spielt während einer Don Giovanni-Aufführung. Die revolutionäre Tat der Vergebung des Titelhelden in Mozarts La Clemenza di Tito steht tatsächlich in plausibler Beziehung zu der verzweifelten Menschlichtkeit des Fürsten Myschkin, dem „Idioten“ bei Weinberg.
Das Opernprogramm im Überblick: Jacques Offenbachs Les Contes d' Hoffmann inszeniert als Festspieldebüt die französische Regisseurin Mariame Clément im Großen Festspielhaus. Benjamin Bernheim singt die Titelrolle, Kathryn Lewek die Frauenrollen. Marc Minkowski dirigiert die Wiener Philharmoniker. Peter Sellars, der einzige aus der „alten Garde“ der Regisseure inszeniert Sergej Prokofjews Jugendoper nach Dostojewski Der Spieler. Timur Zangiev gibt sein Festspieldebüt am Pult der Wiener Philharmoniker in der Felsenreitschule. Es singen Peixin Chen und Asmik Grigorian. Die zweite Dostojewski-Oper des Festpielsommers – Der Idiot von Mieczysław Weinberg – inszeniert Krzysztof Warlikowski. Mirga Gražinytė-Tyla leitet die Wiener Philharmoniker in der Felsenreitschule.
Wolfgang Amadeus Mozarts „Revolutionär“ gegen Gesellschaft, gute Sitten und innere Leere Don Giovanni, wird von Romeo Castellucci in einer Wiederaufnahme einer Neubefragung unterzogen. Teodor Currentzis leitet das Utopia Orchestra und den Utopia Choir im Großen Festpielhaus. La Clemenza di Tito ist die Wiederaufnahme von Robert Carsens Regie für die Pfingstfestspiele: Gianluca Capuano dirigiert Les Musiciens du Prince – Monaco und Il Canto di Orfeo. Zu den szenischen Produktion kommen diesmal mehr als die üblichen zwei konzertanten Aufführungen. Auf dem Programm stehen Hamlet von Ambroise Thomas, Richard Strauss' Capriccio, Luigi Dallapiccolas Il prigioniero in zusammen mit Luigi Nonos Il canto sospeso. Reizvoll die konzertante Programmierung der Opern Koma und Begehren von Georg Friedrich Haas und Beat Furrer.
Das erste Schauspielprogramm von Marina Davydowa beginnt mit Die Sternstunden der Menschheit nach Stefan Zweig in einer musiktheatralen Fassung des Schweizers Thom Luz. Nach Aischylos, Sophokles und Euripides erstellt Nicolas Stemann eine Neufassung der Orestie für die Perner-Insel. Mit seiner eigenen Textfassung von Thomas Manns Roman Der Zauberberg präsentiert sich Krystian Lupa dem Festspielpublikum im Landestheater. Die zerstörerische Geschichte Europas der vergangenen hundert Jahre erzählt der Komponist und Theatermacher Heiner Goebbels mit Everything That Happened and Would Happen mit Musik, Licht, Performance und Sprache (!) auf der Perner-Insel. Alexander Ekmans Ein Mittsommernachtstraum hat nichts mit Shakespeare zu tun. Spiegelneuronen von Sasha Waltz & Guests mit Rimini Protokoll entsteht bei jeder Auffühgung neu.
Vertraut sind die großen Programm-Linien im Konzertbereich. Die Ouverture spirituelle steht unter dem Motto Et exspecto und bringt wieder Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart. Arnold Schönbergs Geburtstag jährt sich 2024 zum 150. Mal. Aus diesem Anlass wird ihm der Neue Musik-Zyklus „Zeit mit …“ gewidmet. Die Wiener Philharmoniker dirigieren Herbert Blomstedt, Andris Nelsons, Riccardo Muti, Gustavo Dudamel und Yannick Nézet-Séguin. (Wird fortgesetzt)
www.salzburgerfestspiele.at
Bild: SFS / Neumayr Leopold
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